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Buchtipp: „Leben will gelernt sein“

 

In diesem Artikel möchte ich das Buch „Leben will gelernt sein. So helfen Sie Ihrem Hund, Versäumtes wettzumachen“ von Wibke Hagemann und Birgit Laser vorstellen, erstmalig 2013 im Birgit Laser Verlag erschienen und inzwischen in der 3. Auflage erhältlich.

Leben will gelernt sein

In dem Buch geht es in erster Linie um Hunde, die mit dem Deprivationssyndrom zu kämpfen haben. Das Deprivationssyndrom ist keine Krankheit, sondern man kann es als Entwicklungsstörung des Gehirns und des Nervensystems beschreiben. Obwohl die Ursachen bekannt sind, trifft man leider in zunehmendem Maße auf Hunde, die davon betroffen sind.

Von einer Deprivation spricht man, wenn Hunde oder andere sozial lebende Tiere (das schließt auch den Menschen ein) in ihrer Jugendzeit zu wenige Erfahrungen mit Sozialpartnern und der Umwelt gemacht haben. Gerade bei Hunden, die während der Welpenzeit eine sensible Phase durchlaufen, während der die wichtigsten Nervenverknüpfungen im Gehirn gebildet werden, ist es enorm bedeutend, diese Zeit zu nutzen und den Welpen möglichst viele positive Erlebnisse mit verschiedenen Menschen, Tieren, Geräuschen und Orten zu bieten.

Hat ein Hund während dieser wichtigen Zeit zum Beispiel so einfache Dinge wie Gras, Bäume oder den blauen Himmel nicht kennen gelernt, dann kann es sein, dass er in seinem späteren Leben davor Angst hat. Noch schwieriger wird es, wenn er auch keine Menschen und anderen Hunde kennen gelernt hat, denn diese bewegen sich und machen Geräusche, nähern sich ihm und erschrecken ihn vielleicht sogar. Eine vorsichtige Annäherung und eine spätere Gewöhnung sind hier noch schwerer zu bewerkstelligen als bei einem unbewegten Objekt wie einem Baum.

Hunde, denen diese wichtigen Erfahrungen fehlen, kommen oft von Massenzüchtern, die nur aufs Geld aus sind. Vom Deprivationssyndrom betroffen sind auch alle ehemaligen Versuchstiere aus den Laboren der Pharmakonzerne. Und oft sind auch Welpen im Zwinger eines Tierheimes oder einer Tötungsstation im Ausland aufgewachsen, oder neuerdings sogar wieder in deutschen Zoohandlungen, und haben dort die wichtigste Zeit ihres Lebens hinter Gittern verbracht, ohne die Chance, die Welt zu entdecken.

Diesen Tieren fehlen wichtige Voraussetzungen, um sich an veränderte Lebensbedingungen anzupassen. Ihr Gehirn ist dafür nicht gut genug trainiert. Sie sind schnell überfordert, reagieren ängstlich oder aggressiv, manche werden hyperaktiv, andere ziehen sich zurück und verstecken sich. Die meisten von ihnen haben mit großen Ängsten zu kämpfen.

Das Buch „Leben will gelernt sein“ nimmt sich diesen Hunden an und gibt zahlreiche wertvolle Praxistipps. Angefangen bei ganz praktischen Dingen wie dem richtigen Geschirr und der bei Angsthunden oft notwendigen doppelten Sicherung für den Spaziergang, über Stressmanagement, der Bedeutung von Schlaf, Entspannungstraining und Tipps für den Alltag, werden auch viele eigene Erfahrungen der Autorinnen mit eingebracht. Sie gehen auf die Ursachen von Angst und Stress ein und darauf, wie man mit diesem Hintergrundwissen dagegen ansteuern kann. Das Clickertraining, das bei richtiger Anwendung einem Hund viel Selbstbewusstsein vermitteln kann, wird ausführlich besprochen und verschiedene Übungssituationen vorgestellt. Aber es wird auch nicht vergessen zu erwähnen, dass bei allem Training doch eines im Vordergrund stehen sollte: die Vermittlung von Sicherheit, Geborgenheit und Vertrauen.

Ich finde das Buch ganz wunderbar und halte es auch für eine sehr gute Ergänzung meines eigenen Buches „Zappelhunde – Vom Leben mit überaktiven Hunden“ (Kynos Verlag 2014), da hier sehr viele Praxistipps vermittelt werden, während mein Buch den Fokus eher darauf legt, Verständnis für überaktive oder hyperaktive Hunde zu wecken und aufzuzeigen, dass unter anderem auch das Deprivationssyndrom solche Verhaltensweisen hervorrufen kann. Das bedeutet, ein Hund ist nicht nur das „Produkt“ seiner Menschen, sondern er bringt auch gewisse genetische und erfahrungsbedingte Voraussetzungen von sich aus mit, die nicht immer günstig sind und mit denen man manchmal nicht ganz so leicht zurechtkommt. Dennoch darf man sich nicht entmutigen lassen, denn man kann mit Liebe und Geduld sehr viel erreichen. Wie genau das in der Praxis funktioniert, beschreibt dieses Buch.

(Inga Jung, Februar 2016)

Buchtipp: „Frühförderung für Welpen“

 

„Frühförderung für Welpen. Der Züchter hat es in der Hand“ von Madeleine und Rolf C. Franck, Cadmos Verlag 2014.

Frühförderung für Welpen

Das Buch „Frühförderung für Welpen“ richtet sich in erster Linie an Züchter und Menschen, die aus irgendwelchen Gründen – sei es, dass mit der eigenen läufigen Hündin ein „Unfall“ passiert ist, oder dass eine trächtige Hündin im Tierschutz landet und dort ihre Welpen zur Welt bringt – in die Situation kommen, sich um einen Wurf Welpen kümmern zu müssen. Aber auch alle Menschen, die mit dem Gedanken spielen, sich einen Welpen ins Haus zu holen, profitieren von dem vermittelten Grundlagenwissen, denn es hilft, die typischen Fehler angehender Hundehalter bei der Auswahl des richtigen Züchters und des passenden Hundes zu vermeiden.

Insbesondere für Züchter, die die Geburt der Welpen und deren erste Erfahrungen planen und sich speziell darauf vorbereiten können, ist dieses Buch aber ein absolutes Muss. Es vermittelt vor dem Hintergrund der neuesten Forschung alles an Wissen, das ein Züchter – ob Neuzüchter oder mit jahrzehntelanger Erfahrung ist dabei völlig egal – besitzen muss, um seinen Hundebabys den bestmöglichen Start ins Leben zu ermöglichen.

Dabei setzt das Buch nicht erst nach der Geburt der Welpen an, sondern die Autoren gehen auch auf die starken negativen Auswirkungen ein, die beispielsweise Stress der Mutterhündin während der Trächtigkeit haben kann. Bereits mit dem ersten Tag der Trächtigkeit ist der Züchter in der Pflicht, auf seine Hündin gut zu achten, ihr viele positive Erfahrungen zu ermöglichen und negativen Stress von ihr fernzuhalten, da alles, was sie jetzt erlebt, sich direkt auf die Welpen auswirkt.

Nach der Geburt der Welpen beginnt dann eine arbeitsreiche Zeit. Es wird beschrieben, wie der Züchter die Welpen täglich altersentsprechend fördern sollte, um sie bestmöglich zu sozialisieren, an ihre Umwelt und Alltagsgeräusche zu gewöhnen und Neuem gegenüber aufgeschlossen zu machen. Alles, was der Züchter in den ersten Lebenswochen der kleinen Hunde schon an Vorarbeit leisten kann, sollte auch getan werden, damit die Familie, in die der Welpe zieht, nicht bei null anfangen muss und sich im Zweifel mit einem überängstlichen Hund konfrontiert sieht, dessen Aufzucht sie überfordert.

Das Umfeld, in dem unsere Hunde leben und zurechtkommen müssen, hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Es werden höhere Anforderungen an die Umweltsicherheit und Sozialverträglichkeit von Hunden gesetzt, als es jemals zuvor der Fall war. Auch wenn ein Züchter schon jahrzehntelange Erfahrung hat, muss er doch berücksichtigen, dass die Zeiten sich ändern und ein Welpe, der im Zwinger aufgewachsen ist und in den ersten acht Lebenswochen nichts anderes kennengelernt hat, was vor 30 Jahren noch Standard war, heutzutage einen sehr schweren Start ins Leben haben wird.

Daher empfehle ich auch „alten Hasen“, dieses Buch nicht abzutun, sondern offen für die Empfehlungen zu sein und auch mal etwas Neues auszuprobieren. Die Welpen werden es ihnen danken. Und für alle Neuzüchter gilt: Dieses Buch gelesen zu haben und immer griffbereit zum Nachschlagen dabeizuhaben ist Pflicht!

(Inga Jung, Dezember 2015)

Was uns Star Wars über das Leben mit Hunden lehrt

 

Ich gehöre zu der Generation, die mit den drei alten Star Wars Filmen aufgewachsen ist. Wir haben mit Han Solo, Prinzessin Leia und R2D2 mitgefiebert und uns über den Jammerlappen Luke Skywalker aufgeregt.

Auch heute noch sehe ich die alten Filme gerne und entdecke immer wieder neue Aspekte, je nach Blickwinkel. Neulich stolperte ich über den Dialog zwischen dem alten Jedi-Meister Yoda und Luke Skywalker:

Yoda: „Hüte dich vor der dunklen Seite der Macht.“

Luke: „Ist die dunkle Seite stärker?“

Yoda: „Nein. Sie ist schneller. Leichter. Verführerischer.“

Nachdenklich überlegte ich, ob man das nicht ganz genau so auch über das Hundetraining sagen kann. Ich bin im Laufe der Jahre vielen Hundebesitzern begegnet, die es mit einem positiv aufgebauten Training versucht haben, dann aber doch wieder auf Strafen umgeschwenkt sind, weil es ihnen leichter fiel und so aussah, als sei die Wirkung schneller da. Oder weil ihnen das im Fernsehen suggeriert wurde. Es sieht auf den ersten Blick auch wirklich oft so aus, als ob es schneller ginge, denn Strafen hemmen natürlich das Verhalten des Hundes und unterdrücken seine Impulse. Zumindest kurzfristig.

Langfristig ist der Erfolg eines positiv aufgebauten Trainings besser, sowohl für die Motivation des Hundes zum Mitmachen, als auch für die Beziehung zwischen Mensch und Hund. Aber das Training langsam und überlegt aufzubauen und durchzuhalten, bis sich Erfolge abzeichnen, das fällt vielen Menschen schwer. Sie wählen dann doch lieber den Verhaltensabbruch durch Strafe. Denn das ist schneller. Leichter. Verführerischer. Aber auch trügerisch und gefährlich, genau wie die dunkle Seite der Macht.

Wir Hundebesitzer können noch mehr von den Star Wars Filmen lernen. Luke Skywalker handelt zuerst impulsiv und unüberlegt. Er ist zornig, hektisch, gerät schnell aus der Fassung. Er ist noch weit davon entfernt, ein Jedi zu werden. Auch wir Hundebesitzer sind nicht perfekt, aber wir können, ebenso wie Luke, dazulernen, wenn wir nur wollen.

Ein Jedi hat seine Impulse unter Kontrolle und ruht vollkommen in sich. Er handelt niemals unüberlegt und denkt immer einige Schritte voraus. Er lässt sich nicht provozieren. Hass, Neid und Wut haben keinen Platz in seinem Leben. Er tut stets Gutes und handelt, nach bestem Wissen und Gewissen, zum Wohl der Allgemeinheit.

Ich glaube, unsere Hunde würden sich wünschen, dass ihre Menschen ein bisschen was von einem Jedi hätten. Hunde bewundern Menschen, die ruhig und gelassen durchs Leben gehen und sich von nichts und niemandem aus ihrem seelischen Gleichgewicht bringen lassen. Solchen Menschen zu vertrauen fällt nicht schwer.

Schauen wir doch alle mal, ob wir nicht den Jedi in uns entdecken. Unseren Hunden zuliebe.

(Inga Jung, Oktober 2015)

Die Sache mit der Freiheit

 

Freiheit – jeder wünscht sie sich und seinen Tieren. Freiheit ist etwas Wundervolles, sie ist unser höchstes Gut. Die Freiheit des Einen darf aber nicht die Freiheit des Anderen einschränken. Wir sind schließlich nicht allein auf der Welt, und Rücksichtnahme gehört einfach dazu. In Bezug auf uns Hundehalter bedeutet das in erster Linie, dass unser Hund keine anderen Lebewesen – seien es Menschen, andere Hunde oder auch Wild-, Haus- und Weidetiere – belästigen oder gar gefährden darf.

Das sagt sich so einfach, aber es beinhaltet doch eine Menge Voraussicht und Verantwortungsbewusstsein, unterwegs mit einem freiheitsliebenden Hund schnell genug reagieren zu können, um den Hund auch wirklich zu jeder Zeit unter Kontrolle zu haben, wenn das denn nötig ist. Denn wenn er den rennenden Hasen vor der Nase hat, ist es meist eh zu spät, um noch zu rufen. Man muss die Gegend schon so genau im Auge haben, dass man den Hasen vor dem Hund sieht, sonst hat man keine Chance.

Dennoch sind Freiheit und hier insbesondere die freie Bewegung innerhalb gewisser Grenzen und die Möglichkeit, auch mal „der Nase nach“ zu laufen enorm wichtig für das Wohlbefinden unserer Hunde. Dabei ist eine 20-Meter-Leine für einen Hund, der eine sehr starke Jagdleidenschaft hat, auch schon Freiheit. Denn diese Leine gibt ihm einerseits genug Freiraum, sich in einem bestimmten Radius um seinen Menschen herum auszuleben (weiter als 20 Meter sollte sich ohnehin kein Hund auf dem Spaziergang von seinem Menschen entfernen), aber andererseits gibt die Leine den Wildtieren der Gegend wieder Sicherheit, was ja mindestens ebenso wichtig ist wie das Wohlbefinden unseres Hundes.

Ganz und gar nicht lustig sind die Empfehlungen mancher Hundetrainer, der Hund solle grundsätzlich auf jedem Spaziergang neben oder hinter seinem Menschen laufen und sich diesem die ganze Zeit anpassen. Schnüffeln und Markieren sind natürlich nicht erlaubt, denn der Hund hat sich nach seinem Menschen zu richten, der das auch nicht tut.

Meine ehrliche Meinung dazu: Solche Spaziergänge kann man sich dann auch komplett sparen, denn der Hund hat davon gar nichts. Das ist, als ginge man mit einem Kind in einen reich gefüllten Spielzeugwarenladen, aber es darf nichts anfassen und bekommt auch kein Spielzeug geschenkt. Es darf nur von weitem all die schönen Dinge angucken, die es nicht haben darf. Was baut man durch so ein Verhalten auf? Doch nichts als Frustration und Enttäuschung.

Für einen Hund ist auf dem Spaziergang nicht die Bewegung das Wichtigste, sondern die Wahrnehmung der Gerüche und Geräusche. Derselbe Weg, den er morgens schon gelaufen ist, kann am Nachmittag ganz anders riechen. Er ist immer wieder aufs Neue interessant, denn in der Zwischenzeit sind vielleicht Katzen, Wildtiere oder der Rüde von gegenüber dort entlang gelaufen und haben ihre Spuren hinterlassen.

Ein gesunder, angstfreier, lebenslustiger Hund ist neugierig. Er will seine Umgebung erkunden und dafür läuft er kreuz und quer über den Weg, er läuft vorweg, bleibt stehen, fällt zurück, holt uns wieder ein usw. Er ist in Bewegung und das nicht linear, sondern oftmals eben schlicht „immer der Nase nach“. Das ist Normalverhalten. Kein Hund ist dominant, weil er vorweglaufen will, er ist einfach neugierig und will als Erster wissen, was dieser spannende Spaziergang zu bieten hat.

Diese Freiheit sollten wir ihm auch geben. Aber eben nur solange er die Freiheit Anderer nicht einengt. Das heißt: Kommt uns ein uns fremder angeleinter Hund entgegen, nehmen wir sofort unseren Hund an die Leine. Das gehört sich einfach so, und da gibt es auch nichts zu diskutieren. Wird diese einfache und klare Höflichkeitsregel endlich mal von allen berücksichtigt, dann würden sich zahlreiche angespannte Gespräche unter Hundehaltern nach dem Motto: „Meiner tut nichts!“ – „Schön für Sie, meiner aber schon …!“ erübrigen.

Ebenso nehmen wir unseren Hund – insofern das gut klappt, andernfalls hat man ja auch noch eine Leine – zumindest bei Fuß, wenn uns Jogger, Radfahrer oder andere Freizeitsportler entgegenkommen.

Wenn unser Hund jagt, müssen wir aufpassen, dass er keine anderen Tiere belästigt oder gar hetzt. Das gehört zu unserer Aufsichtspflicht, die wir übernommen haben. Und besonders schwer ist das auch nicht, denn dafür wurden schließlich Hundeleinen in allen möglichen Längen für sämtliche Gelegenheiten erfunden. Trägt der Hund ein gut sitzendes Geschirr, dann gewöhnt er sich sehr schnell an die lange Leine und nimmt diese überhaupt nicht mehr als störend wahr, und entspannte Spaziergänge mit vielen Schnüffeleinheiten sind wieder gesichert. Parallel dazu kann man ja trotzdem ein positiv aufgebautes Antijagdtraining beginnen, um den Hund vielleicht irgendwann einmal ganz frei laufen lassen zu können.

Freiheit ohne Rücksicht auf Verluste ist keine Freiheit, sondern Egoismus. Und oft schadet man dadurch sogar dem Hund, denn so mancher Hund, der von seinem Menschen zu viel Freiheit bekam, wurde am Ende durch Maulkorb- und Leinenzwang bestraft, weil er einen ängstlichen Menschen bedrängt und angesprungen hatte. Rücksichtnahme auf Andere ist wichtig, und man darf natürlich nicht vom Hund erwarten, dass er selbst auf die Idee kommt, sich vorbildlich zu verhalten. Die Verantwortung für das Verhalten unserer Hunde liegt einzig und allein bei uns.

(Inga Jung, September 2015)

Aktion „Gelber Hund“

 

Seit etwa drei Jahren gibt es sie nun schon, die Aktion „Gelber Hund“. Die Idee dahinter ist, einen Hund, der mehr Abstand zu anderen Hunden braucht, durch eine gelbe Schleife oder ein gelbes Halstuch zu kennzeichnen, damit schon von weitem erkennbar ist, dass dieser Hund gerade keinen direkten Hundekontakt möchte.

Die Gründe können vielfältig sein: zum Beispiel ist der Hund durch eine Operation, eine Krankheit oder das Alter geschwächt oder hat Schmerzen und möchte deshalb nicht von anderen Hunden angerempelt werden – auch nicht auf freundlich gemeinte Weise.

Es könnte auch eine läufige Hündin sein oder ein Hund, der insgesamt eine große Individualdistanz hat und direkten Kontakt zu anderen Hunden nicht besonders schätzt. Oder der Hund hat schlechte Erfahrungen gemacht oder ist ungenügend sozialisiert und reagiert daher aus Unsicherheit aggressiv auf andere Hunde. Oder er hat eine ansteckende Krankheit.

Es ist ja eigentlich auch völlig egal, aus welchem Grund ein Hund Distanz zu anderen, ihm fremden Hunden braucht. Niemand sollte sich deswegen rechtfertigen müssen. Es ist eben so wie es ist. Die gelbe Farbe soll signalisieren, dass dem so ist und dass entgegenkommende Hunde bitte angeleint und auf Abstand gehalten werden sollten.

Ich finde diese Idee ganz wunderbar. Nur bezweifle ich, dass sie viel nützen wird. Denn die Realität sieht doch leider so aus:

Ich bin mit meiner Hündin, die ganz und gar keinen Wert auf direkten Kontakt zu fremden Artgenossen legt, unterwegs und mir kommt eine Hundehalterin mit ihrem freilaufenden Hund entgegen. Ich nehme meine Hündin an die Leine. Eigentlich sollte das allein vollkommen ausreichen, damit die mir entgegenkommende Person ihren Hund ebenfalls ohne große Umschweife anleint. Aber nein, keine Reaktion.

Ich suche nach einer Einbuchtung oder einem kleinen Trampelpfad, auf den ich ausweichen könnte, um nicht direkt auf den anderen Hund zuzusteuern, denn das würde meine Hündin bereits als Provokation deuten. Da ist leider nichts zu sehen, also drücke ich mich so weit es geht mit meinem Hund ins Gebüsch, lasse ihn sich setzen und schirme ihn mit meinen Beinen ab, um ihm Distanz zu dem hoffentlich gleich anstandslos vorbeigehenden Hund zu schaffen. Die mir entgegenkommende Hundebesitzerin zeigt immer noch null Reaktion.

Da sie nun schon recht nah ist, rufe ich ihr höflich entgegen: „Nehmen Sie bitte Ihren Hund an die Leine?“ Natürlich kommt prompt die patzige Antwort: „Wieso denn?“

Naja, inzwischen ist es eh zu spät. Der Hund hat uns entdeckt und kommt direkt auf mich und meine Hündin zu gerannt. Die Frau versucht halbherzig, ihn zu rufen, aber jetzt hört er natürlich nicht mehr. Er bleibt einen Zentimeter vor der Nase meiner Hündin stehen. Und meine Hündin rastet selbstverständlich völlig aus, angesichts dieser dreist direkten, viel zu schnellen, viel zu nahen und überhaupt in ihren Augen aggressiven Annäherung.

Ich weiß nicht, wie oft uns exakt diese Begegnung schon widerfahren ist. Ich kann es gar nicht mehr zählen, es war schon viel zu oft. Und jedes Mal ist ein Mal zu viel, denn es ist einfach nur unnötig und frustrierend für mich und meine Hündin, und dem anderen Hund tut der Schreck auch nicht wirklich gut.

Ich fürchte, wenn die Menschen schon auf die geballte Ladung körpersprachlicher Zeichen und eindeutiger sprachlicher Hinweise absolut keine Reaktion zeigen, dann wird so eine gelbe Schleife auch nicht viel nützen. Wenn man Pech hat, kommen sie dann erst recht mitsamt ihrer freilaufenden Hunde dicht heran, um einen zu fragen, warum der Hund denn so hübsch dekoriert ist. „Hat der Geburtstag? Komm, Bello, wir gehen da mal hallo sagen.“

Nein, meine Hündin möchte Bello nicht „hallo“ sagen. Meine Hündin möchte Bello viel eher „verschwinde aus meinem Revier und lass dich hier nie wieder blicken“ sagen.

Nicht jeder Hund ist so gesellig wie Bello. Nicht jeder Hund legt viel Wert auf Hundebekanntschaften. Manche Hunde sind froh, wenn andere sie einfach in Ruhe lassen. Aber es gibt leider Menschen, die das nie begreifen werden, und gegen die wird auch eine gelbe Schleife nichts ausrichten können. Ausprobieren kann das aber natürlich jeder gern. Vielleicht spricht es sich eines Tages wirklich so weit herum, dass auch Bellos Frauchen es begreift.

(Inga Jung, August 2015)

 

Vermenschlichung versus Verständnis

 

Immer wieder heißt es, man darf einen Hund nicht vermenschlichen. Das ist auch absolut richtig. Ein Hund hat eine andere Art zu denken als wir Menschen, er nimmt die Welt anders wahr als wir und er setzt andere Prioritäten als wir. Mit ihm zu sprechen wie mit einem Menschen und von ihm menschliche Denkweisen und Entscheidungen zu verlangen, würde ihn überfordern. Ebenso wie es uns überfordern würde, wenn unser Hund von uns verlangen würde, eine Katze zu riechen, die 500 Meter von uns entfernt im Gebüsch sitzt. Wir haben im Gegensatz zu unserem Hund einfach nicht die physiologische Ausstattung, um so eine Leistung zu erbringen, und andersherum ist es ebenso.

Es gibt aber durchaus Bereiche, in denen ich Hunde gern mit Menschen vergleiche und das auch absolut legitim finde. Das sind die Bereiche, in denen wir uns stark ähneln. Zum Beispiel in Bezug auf Gefühle, die Hunde ebenso empfinden wie wir. Und auch in Bezug auf die Familienstruktur, in der sie leben. Wenn ich solche Vergleiche anstelle, gibt es immer irgendjemanden, der der Ansicht ist, das wäre Vermenschlichung, und vielleicht ist das zu einem gewissen Teil auch richtig. Allerdings stütze ich mich dabei einerseits auf eindeutige Ergebnisse neuerer Forschung, und andererseits bin ich der Ansicht, dass Menschen ihren Hund viel besser verstehen, wenn sie sich in ihn hineinversetzen und seine Gefühlswelt nachempfinden können. Immer nur zu behaupten, Hunde seien ganz anders als wir Menschen, ist dabei nicht wirklich hilfreich.

Mir ist es ein wichtiges Anliegen, den Hundebesitzern zu erklären, wie ihr Hund sich das Zusammenleben mit ihnen wünscht, denn ich sehe seit vielen Jahren eine erschreckende Tendenz vieler Hundetrainer, den Hund zu einem Untergebenen des Menschen zu degradieren, einem Soldaten ähnlich, der immer nur dann handeln darf, wenn der Mensch es ihm befiehlt. Dann aber hat er sofort zu gehorchen und den Befehl auszuführen. Kommt der Hund in dem Moment – völlig zu Recht – auf die Idee zu protestieren, wird er als „dominant“, „stur“ oder gar „gefährlich“ abgestempelt und mit Gewalt dazu gebracht zu tun, was der Mensch will. In meinen Augen ist diese Art, mit einem Hund umzugehen, in höchstem Maße tierschutzrelevant. Kein Hund wurde dazu geboren, uns Menschen zu gehorchen, wann immer wir das wollen. Jeder Hund hat das Recht, auch mal seine Ruhe einzufordern und seinen eigenen Interessen nachzugehen, ohne deswegen gleich Angst vor seinem Menschen haben zu müssen.

Um zu visualisieren, wie unglücklich sich so mancher Hund im Zusammenleben mit seinem Menschen fühlt, vergleiche ich die Beziehung zwischen Mensch und Hund gerne mit der zwischen einem Eltern und Kind.

Ja, ich weiß, ein Aufschrei geht durch die Reihen: Vermenschlichung! – Nein, ich glaube, dieser Vergleich kommt dem Blickwinkel, aus dem unsere Hunde das Leben mit uns betrachten, sogar sehr nahe. Denn nehmen wir mal ein paar Beispiele:

Stellt euch vor, ihr seid mit einem Kleinkind unterwegs und steht an einer vielbefahrenen Kreuzung. Was tut ihr? Richtig, ihr nehmt das Kind an die Hand. Genau wie ihr hier auch einen Hund an die Leine nehmen würdet. Nicht, um ihn seiner Freiheit zu berauben, sondern um ihn zu beschützen. Denn genau wie das Kleinkind ist der Hund nicht in der Lage, die Gefahren, die ihm an diesem Ort drohen könnten, richtig einzuschätzen. Es ist unsere Pflicht als Hundebesitzer, den Hund zu schützen, genau wie wir es als Eltern mit unserem Kind tun würden.

Wenn es aber gefahrlos möglich ist, dem Kind Freiheiten zu lassen, es Erfahrungen machen zu lassen, seine Neugier auszuleben und zu spielen, dann tun wir das und freuen uns darüber, dass es Spaß hat, neue Dinge erfährt und dabei lernt.

Genau das ist es, was sich auch unsere Hunde wünschen. Natürlich müssen wir immer aufpassen, dass sie nicht sich selbst oder andere in Gefahr bringen oder jemanden belästigen, wie bei unseren Kindern auch, aber innerhalb dieses Rahmens benötigen auch unsere Hunde individuelle Freiheiten, um ihre Persönlichkeit zu entwickeln und sich wohlzufühlen. Neue Erfahrungen zu machen und Herausforderungen zu meistern stärkt das Selbstvertrauen und trägt dazu bei, dass der Hund ein ausgeglichenes, gelassenes Wesen entwickeln kann.

Und wenn wir dann wieder zu Hause sind, benötigt er viel Schlaf und lange Ruhephasen, um diese Erlebnisse zu verarbeiten, auch das ist ein enorm wichtiger Faktor, und auch darin sind sich Hunde und Kinder gar nicht mal so unähnlich.

Wenn ihr mit einem Kind unterwegs seid, dann seid ihr die Entscheidungsträger. Ihr seid aufmerksam und vorausschauend, um Gefahren wie z.B. ein sich annäherndes Auto rechtzeitig zu erkennen und das Kind in Sicherheit zu bringen. Ihr passt auf, dass das Kind sich nicht in Risiken stürzt, die es nicht einschätzen kann, und wenn es Streit mit anderen Kindern gibt, dann schlichtet ihr diesen. Seid ihr deshalb der Chef des Kindes? Der dominante Alphamensch? Der Rudelführer? Klingt absurd, oder? Aber genau das behaupten manche Hundetrainer, die diesen überholten Theorien anhängen, in Bezug auf exakt dieselben Situationen, nur weil wir das Wort „Kind“ durch „Hund“ ersetzen. Auf einmal sind wir keine besorgten Eltern mehr, sondern machthungrige Alphas. Und sofort wird aus einem liebevollen Blick ein hartes Starren. Worte können Gefühle manipulieren, daher sind Worte immens wichtig. Und daher rede ich lieber von einer Eltern-Kind-Beziehung, als von einem „Leithund“, auch wenn vielleicht ursprünglich mal von dem Verhaltensforscher, der dieses Wort in die Welt gesetzt hat, exakt dasselbe damit gemeint war.

Was Hunde überhaupt nicht verstehen, ist unsere menschliche Neigung zu Gewalt und Aggressionen im Zusammenleben mit Sozialpartnern. Hunde sind innerhalb der Familie unglaublich friedlich und aggressionslos. Sie ertragen oftmals ohne mit der Wimper zu zucken Behandlungen, die einen Menschen schon längst zu unkontrollierten Wutausbrüchen getrieben hätten. Das alleine ist der Grund dafür, weshalb es trotz der kursierenden Dominanztheorien, in denen Unterdrückung und offensive Gewalt gegenüber Hunden an der Tagesordnung sind, immer noch relativ wenige Beißvorfälle gibt. Hunde sind uns Menschen gegenüber viel zu tolerant. Das ist aber noch lange kein Grund, diese unendliche Geduld zu missbrauchen. Im Gegenteil, wir sollten uns ein Beispiel an unseren Hunden nehmen und sie ebenso freundlich und rücksichtsvoll behandeln wie sie uns. Das würde für zahlreiche Hunde das Leben sehr viel schöner machen.

(Inga Jung, Juni 2015)

Hundetraining als aktiver Tierschutz

 

Da ich nun die Arbeit an meinem dritten Buch beginne, habe ich mich entschlossen, bis voraussichtlich Mai 2016 eine Pause im Einzeltraining einzulegen. Neukunden nehme ich nur noch auf, wenn sie von meinen Tierärzten in Kiel an mich überwiesen wurden. Folgetermine für Kunden, bei denen ich bereits war, sind natürlich weiterhin möglich.

Die Pause ist letztendlich nicht nur nötig, damit ich Zeit zum Schreiben habe, sondern auch weil ich das Gefühl habe, dass meine inzwischen elfjährige Hündin nun im Alter die Anwesenheit ihrer Menschen mehr denn je braucht. Und natürlich möchte ich für sie da sein, so wie auch sie ihr ganzes Leben lang für mich da war.

Es fällt mir aber auch schwer, denn ich habe die Hundeverhaltensberatung immer auch als aktive Tierschutzarbeit erlebt. Unzählige Hundebesitzer kamen zu mir, nachdem sie an ihrem Hund zum Teil haarsträubende Dinge ausprobiert hatten, die sie zuvor im Fernsehen gesehen hatten. Sie suchten sich erst Rat, nachdem diese „Methoden“ das Problem oft noch verschlimmert hatten und ihr Hund das Vertrauen in seine Menschen fast komplett verloren hatte.

Ich möchte euch daher alle auch an dieser Stelle noch einmal dazu aufrufen, kritisch zu sein und auf euer Bauchgefühl zu hören. Nur weil jemand im Fernsehen auftritt, heißt das noch lange nicht, dass er weiß, was er tut. Das Fernsehen ist auf Einschaltquoten und auf den größtmöglichen Gewinn aus, wie alle wirtschaftlich denkenden Unternehmen. Und Action bringt einfach mehr Einschaltquoten als ein vernünftiges, langfristig angelegtes Training. Daher werden auch diese Hundeerziehungssendungen in erster Linie von Leuten gestaltet, die schnelle Bildwechsel, eine packende Story, emotionale Musik und eine deutlich erkennbare Veränderung wollen, welche in das Format von 30 Minuten passt. Sie stellen nicht das Leben dar, sie erzählen eine Geschichte, das ist Fiktion. Ein Hund, der leise grummelt, weil ihm etwas unangenehm ist, ist nicht spannend genug. Da wird er noch ein bisschen mehr bedrängt und provoziert, bis er endlich die Zähne fletscht. Das ist Action, das bringt Einschaltquoten. Mit Hundetraining hat das nichts zu tun. Bitte bedenkt das immer, wenn ihr solche Sendungen seht: Das ist nicht die Realität, das ist die Welt der Medien.

Eigentlich sollte jeder Mensch sich selbst denken können, dass viele der Dinge, die in diesen Sendungen gezeigt werden, schädlich und langfristig nicht wirksam sein können. Nehmen wir mal eine alltägliche Hundebegegnungssituation und übertragen sie in unsere menschliche Welt:

Stellt euch vor, ihr seid mit einem Kumpel zu zweit in einer euch unbekannten Gegend unterwegs und merkt auf einmal, dass euch vier zwielichtige Gestalten folgen. Ihr geht schneller und versucht ihnen auszuweichen, aber sie holen auf. Plötzlich verengt sich der Weg und ihr könnt nicht mehr weg, ihr seid in die Ecke gedrängt. Die vier Gestalten umkreisen euch bedrohlich. Die Situation fühlt sich gefährlich an, ihr wisst, dass ihr euch eventuell wehren müsst. Also macht ihr euch groß und versucht, die vier durch Stärke zu beeindrucken, damit sie euch in Ruhe lassen. Euer Kumpel, der mit euch unterwegs ist, hat bisher noch gar nichts gemacht. In dieser Situation, in der er euch beistehen sollte, greift er aber auf einmal zur Wasserflasche und spritzt euch einen ordentlichen Schwall Wasser ins Gesicht.

Was haltet ihr in diesem Moment wohl von diesem Menschen? Richtig, ihr denkt euch: Was für ein Arschloch. Nicht nur, dass er mir nicht hilft, sondern er fällt mir auch noch in den Rücken.

Exakt so empfindet euer Hund es, wenn er versucht, sich durch aggressives Verhalten andere Hunde vom Leib zu halten, und ihr ihn dafür auch noch mit der Wasserflasche anspritzt, weil Martin Rütter das im Fernsehen so gezeigt hat.

Sicher wird euer Hund sein Verhalten beenden, einerseits vor Schreck und andererseits weil er sich als völlig chancenlos sieht, wenn ihr ihm auch noch die Unterstützung entzieht. Wie soll er denn alleine gegen eine solche Übermacht ankommen?

Egal, ob der Hund nun in Zukunft das Pöbeln einstellt, weil er sich alleine einfach unterlegen fühlt, und sich in sein Schicksal fügt, oder ob er der Typ ist, der dann umso heftiger loslegt, weil er ohne Unterstützung durch seinen Menschen nur durch besonders starke Aggressionen seine Ruhe zu erlangen glaubt – eines erreicht ihr durch solche Maßnahmen auf jeden Fall: einen enormen Vertrauensverlust. Euer Hund weiß nun, dass er sich auf euch nicht verlassen kann. Ist es wirklich das, was ihr erreichen wolltet? Ist das euer Ziel?

Dabei ist die Wasserspritzerei noch einer der harmloseren Strafreize, die im Fernsehen vermittelt werden, auch wenn sie einen sensiblen Hund durchaus traumatisieren kann. Die körpersprachliche Einschüchterung des Hundes durch massives körperliches Bedrängen und Bedrohen, wie es der als „Hundeflüsterer“ bekannte Promi regelmäßig praktiziert, ebenso wie die von ihm empfohlene Strangulation des Hundes, die Tritte und Schläge, die er als Erziehungswundermittel verkauft, weil er das Leben mit einem Hund als Machtkampf missversteht, sind noch weitaus tierschutzwidriger. Und all das wird ohne nachzudenken auch hierzulande von zahlreichen Hundebesitzern nachgemacht.

Daher wiederhole ich meine Bitte: Seid kritisch und glaubt nicht alles, was euch irgendwelche Leute im Fernsehen oder im Internet weismachen wollen. Unsere Hunde sind Familienmitglieder, sie wollen keine Machtkämpfe mit uns austragen, sie wollen harmonisch mit uns zusammenleben. Sie sind sehr individuelle Persönlichkeiten und meist sensibler als man auf den ersten Blick glaubt, und sie möchten keinen Ärger mit uns. Geben wir ihnen die Chance, sich verstanden zu fühlen und sich so zu entfalten, dass sie sich uns anvertrauen können, damit Konflikte gar nicht erst notwendig werden.

(Inga Jung, Mai 2015)

„Lass den doch kastrieren, dann wird er ruhiger“

 

Das Thema Kastration beim Hund wird fast genauso emotional und heftig diskutiert wie die Themen Ernährung und Erziehung. Daher möchte ich dieses heute auch einmal aufgreifen und zeigen, wo hier die Grenzen zwischen Wahrheit und Legende liegen.

Es ist unzweifelhaft, dass Hormone unser aller Verhalten maßgeblich beeinflussen. Jeder hat das bereits an sich selbst und anderen erlebt, und selbstverständlich hängt auch das Verhalten anderer Säugetiere in hohem Maße mit dem Einfluss von Hormonen zusammen.

Daher ist es nicht verwunderlich, dass eine Kastration Verhalten verändern kann. Die früher viel gerühmten positiven Veränderungen, im Sinne von „nach der Kastration wird ein Hund grundsätzlich ruhiger“ sucht man allerdings oft vergeblich, denn – wie könnte es anders sein bei so hoch entwickelten Lebewesen – auch hier funktioniert der Hundekörper nicht wie eine Maschine, bei der man eine lockere Schraube festdreht, und alles läuft wieder. Die biochemischen Prozesse im Körper und die Verhaltensänderungen, die durch eine Kastration folgen können, sind weit komplizierter. Sie sind abhängig von Alter, Geschlecht, Charakter, individueller Entwicklung, seelischer Reife und vielem mehr.

Insbesondere während des Erwachsenwerdens, der sogenannten Pubertät, toben sich im Körper eines jungen Hundes die Hormone manchmal regelrecht aus. Es kommt zu Stimmungsschwankungen, peinlichem Herumprollen und größenwahnsinniger Selbstüberschätzung, die von Phasen extremer Unsicherheit gefolgt sein können. Na, erkennt ihr euch selbst als Teenager oder eure pubertierenden Kinder eventuell wieder? Ja, so waren wir alle, so sind Heranwachsende nun einmal, und auch unsere Hunde stellen hier keine Ausnahme dar.

Leider kommt bereits in diesem zarten Alter beim Anblick so eines pubertierenden und von Hormonschwankungen geplagten Junghundes aus allen Ecken der Rat: „Lass den doch kastrieren, dann wird er ruhiger und prollt nicht mehr die anderen Rüden an.“ Kommen die verunsicherten Hundebesitzer diesem Rat nach, hat das für den Hund oft fatale Folgen, denn wir müssen eines wissen: Die Sexualhormone, die durch eine Kastration reduziert werden, wirken sich nicht nur auf das Sexualverhalten aus, sondern sie beeinflussen auch andere Stoffwechselvorgänge und Organe. Sie sind für die Reifung des Gehirns ebenso wichtig wie für die Ausbildung einer vernünftigen Knochensubstanz. Insbesondere ein Hund im Wachstum braucht die Sexualhormone, um körperlich und geistig zu reifen.

Viele Eltern leiden enorm unter den emotionalen Ausbrüchen ihrer pubertierenden Kinder. Dennoch käme hier niemand auf die Idee zu sagen: „Lass den Lukas doch kastrieren, dann wird er viel ruhiger.“ Es ist völlig absurd zu denken, dass ausgerechnet diese Maßnahme dem Jungen helfen wird, in seinem Leben besser zurechtzukommen. Im Gegenteil, es würde für ihn alles noch viel schwieriger machen. Genauso ist es auch bei unseren Hunden. Früh kastrierte Rüden leiden oft unter sozialer Unsicherheit, weil ihre emotionale und geistige Reife verzögert wurde und sie aufgrund ihres Kastratengeruchs von anderen Hunden nicht für voll genommen werden.

Jetzt kommt wieder der Mensch und sagt: „Ist doch prima. Mir ist es lieber, mein Hund ist ein ewiges Mobbingopfer, als dass er derjenige ist, der die anderen Hunde ständig provoziert.“

Ja, aus menschlicher Sicht mag das ganz prima sein. Den Hund fragt mal wieder keiner.

Bei Hündinnen wirkt sich die Kastration oft kaum auf das Verhalten aus, was daran liegt, dass die Hündin durch ihren Läufigkeitszyklus immer wieder auch Phasen geringer hormoneller Aktivität durchlebt. Eine kastrierte Hündin verhält sich meist in etwa so wie sie sich vorher in der Mitte zwischen zwei Läufigkeiten verhalten hat.

Manche Hündinnen haben etwas zu viel Testosteron abbekommen. Das kann z.B. passieren, wenn die Hündin im Mutterleib zwischen zwei Brüdern lag. Diese Hündinnen heben oft das Bein wie Rüden und pöbeln sowohl Rüden als auch Hündinnen gerne an. Ausnahmen bestätigen natürlich wie immer die Regel. Hier sollte man sich gut überlegen, ob man diese Hündin kastrieren lassen und dadurch die weiblichen Hormone, die sie hat, noch stärker dämpfen will. Der Schuss könnte nach hinten losgehen.

Es gibt allgemein betrachtet keine besonderen positiven Auswirkungen, die die Kastration einer Hündin auf deren Verhalten hat, es sei denn, sie zeigt sich während der Phase der stärkeren hormonellen Aktivität, also rund um die Läufigkeit herum, auffallend aggressiv oder unruhig. Hier kann die Kastration helfen. Unumgänglich ist die Kastration natürlich auch, wenn eine Gebärmutterentzündung vorliegt, und auch bei häufig wiederkehrenden Scheinträchtigkeiten und zyklusbedingten Depressionen ist sie eine Überlegung wert. Liegen solche Gründe aber nicht vor, rate ich eher davon ab, denn es ist einfach eine sehr unangenehme und schmerzhafte Operation, die ich meinem Hund nicht grundlos zumuten würde.

Zurück zum Rüden. Nicht nur bei früh kastrierten Rüden können sich Unsicherheiten entwickeln. Viele Rüden brauchen Testosteron, um Selbstbewusstsein und Souveränität zu erlangen. Bitte macht nicht den Fehler, den die Uralt-Hundetrainer machen, wenn sie sagen: „Ich will keinen selbstbewussten Rüden, der ist dann bloß dominant und aggressiv.“ Das ist Quatsch. Ein selbstbewusster Hund hat es gar nicht nötig, aggressiv zu sein. Und dass Dominanz keine Charaktereigenschaft ist, habe ich auch schon sehr oft beschrieben.

Die Ursache von Aggressionen unter Hunden ist im Gegenteil in den allermeisten Fällen soziale oder situative Unsicherheit. Und genau das ist die häufigste Nebenwirkung einer Kastration beim Rüden. Selbst erwachsene Rüden entwickeln oft nach einer Kastration Unsicherheiten und fangen auf einmal an, andere Hunde anzupöbeln.

Wann aber macht die Kastration eines Rüden Sinn? Von medizinischen Gründen abgesehen kann die Kastration einem Rüden helfen, der in einer Gegend mit sehr vielen Hündinnen lebt, die alle Nase lang läufig werden. Denn es kommt durchaus vor, dass der ständige Geruch läufiger Hündinnen, an die der Rüde nicht herankommt, für ihn starken Stress bedeutet. Dauerhafter Stress wiederum macht krank. Hier kann eine Kastration hilfreich sein, um dem Hund wieder mehr Lebensqualität zu geben. Das ist aber eine individuelle Entscheidung, denn es gibt durchaus Rüden, die ganz genau wissen, wann eine Hündin wirklich paarungsbereit ist, und die dann auch nur in diesen drei, vier Tagen überhaupt Interesse an der Hündin zeigen. Die haben dementsprechend auch weniger Stress. Und man sollte mit so einer Diagnose unbedingt warten, bis der Rüde erwachsen ist, denn der Testosteronüberschuss eines Junghundes kann sich auch von selbst wieder einpendeln.

Wenn ein unkastrierter Rüde und eine unkastrierte Hündin zusammenleben, bietet es sich an, einen von beiden kastrieren zu lassen, um ungewolltem Nachwuchs vorzubeugen. Die Tierheime sind schließlich schon voll genug.

Das war es nun aber auch schon mit den Gründen. Markierverhalten, Territorialverhalten, gelegentliches Konkurrenzverhalten gegenüber anderen Rüden, der Hass auf einen bestimmten Erzfeind oder auch die lästigen Läufigkeiten der Hündin, oder vielleicht sogar nur „weil das in unserer Familie schon immer gemacht wurde“ oder „weil mein Tierarzt das empfohlen hat, ich weiß auch nicht, wieso“ – all die Gründe, die manche Menschen dazu bewegen, ihre Hunde kastrieren zu lassen, sind in meinen Augen sehr bedenklich.

Es ist Normalverhalten eines Hundes zu markieren, gegenüber anderen Rüden ein bisschen herumzuprollen und um eine Hündin zu streiten, sein Territorium zu verteidigen oder auch mal seine schlechte Laune rauszulassen. So machen das Männer halt, und Frauen manchmal auch; deswegen lassen wir sie doch nicht alle kastrieren, wo kämen wir denn da hin?

Und wenn wir zu faul sind, unsere Hündin zweimal im Jahr ein paar Wochen lang an der Leine zu führen und zu beaufsichtigen, dann sind wir vielleicht auch insgesamt nicht besonders gut als Hundehalter geeignet. Ein Hund bedeutet nun einmal nicht nur Freude, sondern auch Arbeit und Verantwortung. Das gehört dazu, und das kann man nicht wegoperieren lassen.

Ich bin ganz und gar kein absoluter Kastrationsgegner. Es gibt gute Gründe für eine Kastration. Es gibt aber auch gute Gründe, die dagegen sprechen, und man sollte sich diesen Eingriff immer gut überlegen. Denn mit der Kastration wird dem Hund nicht nur ein Organ genommen, sondern es werden hormonelle Vorgänge verändert, die sein Verhalten beeinflussen und seine Identität und sein Wesen ändern können. Und das leider nicht immer zu seinem Vorteil.

(Inga Jung, Februar 2015)

Die Angst vor der Alleinherrschaft des Yorkshire Terriers

 

Wir leben in einer aufgeklärten Welt. In einer Welt, in der Informationen frei zugänglich sind und jeder Mensch, der den Willen dazu hat, sich zu allen Themen Wissen aneignen kann. Umso mehr frage ich mich, wie es möglich ist, dass sich längst überholte Theorien in Bezug auf das Verhalten von Hunden und den Umgang mit ihnen so nachhaltig in den Köpfen festsetzen und da einfach nicht herauszukriegen sind.

Insbesondere wenn es um Dominanz, Rangordnung und Hausregeln geht, gleicht es manchmal einem Kampf gegen Windmühlen, den Menschen bewusst zu machen, dass die früheren Vorstellungen von dem machthungrigen Hund, der nur danach trachtet, die Herrschaft über den Haushalt zu übernehmen, schlichtweg Unsinn sind. Sie sind veraltet, sie wurden inzwischen sogar eindeutig wissenschaftlich widerlegt. Es wurde nachgewiesen, dass sich zwischen Mensch und Hund überhaupt keine Rangordnung in diesem Sinne etabliert und dass Hunde das Zusammenleben mit uns Menschen viel eher aus der Rolle eines jugendlichen Familienmitgliedes heraus betrachten. Wie kommt es nun, dass die Überzeugung, sich gegen den Hund jeden Tag in einem Machtkampf behaupten zu müssen, in den Köpfen der Menschen so festsitzt?

Es gibt nach wie vor Hundetrainer, die diese veralteten Theorien verbreiten, und diese Hundetrainer sind erstaunlich populär. Oberflächlich betrachtet mag es völlig unverständlich sein, warum diese Hundetrainer, die zum Teil einen regelrechten „Guru“-Status innehaben, so erfolgreich sind und ihr gefährliches Halbwissen so ungeniert verbreiten können.

Ich glaube aber, letzten Endes ist die Antwort auf diese Frage recht einfach, denn sie liegt in der Psychologie des Menschen begründet.

Wie bekommt man Menschen dazu, einem zu folgen?

1) Man macht ihnen Angst: „Wenn du deinen Hund nicht so behandelst wie ich es dir sage, dann wird das Ganze in einer Katastrophe enden. Er wird die Herrschaft über dich und deine Familie übernehmen und euch die nächsten zehn Jahre terrorisieren.“

2) Man redet ihnen Schuldgefühle ein: „Du hast ein Problem mit deinem Hund? Selbst schuld. Das ist nur passiert, weil du dich nicht an meine Trainingsphilosophie gehalten hast.“

3) Man bietet ihnen einfache Lösungen: „Tue einfach dies, das und jenes, und alle deine Probleme sind gelöst.“

Das funktioniert, so ticken die Menschen, darauf springen sie an.

Wenn man ihnen hingegen sagt, dass ihr Hund ein hoch intelligentes und hoch soziales Lebewesen ist, das nicht nach einem einfachen Prinzip funktioniert wie eine Maschine, dann sind die Menschen damit überfordert. Denn das bedeutet ja, dass Methoden nach Schema F von vornherein zum Scheitern verurteilt sind. Das bedeutet, dass man lernen muss, mit seinem Hund zu kommunizieren, und dass man ihn mit Respekt behandeln muss. Das klingt alles nach verdammt viel Arbeit. Da lebe ich lieber in Angst und Schrecken vor der möglichen Alleinherrschaft des Yorkshire Terriers, denn dank meines Hundetrainers habe ich ja die richtigen Patentrezepte dagegen.

Dass Menschen so einfach gestrickt und so leicht zu manipulieren sind, wird in diesem Fall leider vielen Hunden zum Verhängnis. Denn auf der Basis dieser falschen Vorstellungen werden sie ihr Leben lang von ihren Menschen missverstanden und leider oft sogar – im Glauben, das einzig Richtige zu tun – misshandelt.

Ich kann nur jeden Hundebesitzer dazu ermahnen, kritisch zu sein und Empfehlungen, die er bekommt, von wem auch immer, zu hinterfragen. Vieles wird klar, wenn man sich seinen eigenen Hund und dessen Verhalten einfach mal unvoreingenommen anschaut und sich fragt:

„Gleicht das Verhalten dieses Hundes dem eines machthungrigen Diktators?“

„Oder vielleicht doch eher dem eines Jugendlichen, der vielleicht mal über die Stränge schlägt und sein eigenes Ding macht, sich aber in Notsituationen ganz schnell wieder zu seiner Mama rettet?“

Ich wette, dass mindestens 90 Prozent der Hundebesitzer nach der ehrlichen Beantwortung dieser Fragen doch eher Nummer zwei wählen werden.

Die restlichen zehn Prozent haben vermutlich sehr eigenständige und ernsthafte Hunde wie zum Beispiel Herdenschutzhunde, die in keine dieser beiden Kategorien so recht passen und für die man eine eigene Frage formulieren müsste, zum Beispiel frei nach dem Motto:

„Habe ich das Gefühl, dass mein Hund das Leben als eine einzige Arbeitsaufgabe wahrnimmt?“

Auch diese Hunde sind nicht darauf aus, die Macht über andere zu erlangen, sondern sie erledigen konzentriert ihren Job – oder das, was sie dafür halten – und nehmen diese Aufgabe sehr ernst.

Aber welchen Typ Hund auch immer man vor sich hat, man kommt an einer Tatsache schlicht und einfach nicht vorbei:

Es gibt keine Patentrezepte.

Verständnis des Hundes und seines jeweiligen Charakters, die Beobachtung seines Verhaltens, die Kommunikation mit ihm und der Respekt vor ihm als soziales, denkendes und fühlendes Lebewesen sind unerlässlich für eine vertrauensvolle Partnerschaft zwischen Mensch und Hund.

Wem das zu schwierig ist, der sollte sich überlegen, ob er sich als Hundehalter überhaupt eignet, oder ob er mit einem Stofftier nicht doch besser beraten wäre.

(Inga Jung, Januar 2015)

Auseinandersetzung mit dem Altwerden

 

Lebt man mit einem Hund zusammen und verbringt tagein, tagaus seine Zeit mit ihm, dann merkt man manchmal gar nicht, wie die Jahre vergehen. Man selbst nimmt es kaum wahr, die Zeit verfliegt nur so, und für uns sind drei Jahre ja auch kein großer Unterschied. Für den Hund aber kann die Zeitspanne zwischen dem siebten und dem zehnten Lebensjahr eine Menge Veränderungen beinhalten.

Es ist wichtig, dass wir das nicht übersehen, dass wir schon erste Zeichen wahrnehmen und darauf reagieren, um einerseits einen zu schnellen körperlichen Abbau durch entsprechende Gegenmaßnahmen zu bremsen, andererseits aber auch den Hund nicht zu überfordern. Denn wenn ein Hund durch altersbedingte Veränderungen eingeschränkt ist, kann die früher so alltägliche Joggingrunde mit uns für ihn irgendwann zu viel sein. Da er es seinem Menschen aber immer recht machen will, wird er das vielleicht nicht so deutlich zeigen. Hier muss man genau hinschauen.

Veränderungen sind manchmal so schleichend, dass man sie kaum mitbekommt. Im Laufe der Zeit wird der Hund immer ruhiger, und man gewöhnt sich daran und nimmt es hin. Hinter einer so auffälligen Veränderung kann aber eine ernste Krankheit stecken. Nur wenn man offen damit umgeht und nicht alles nur auf das Älterwerden schiebt, hat man die Chance, Krankheiten rechtzeitig zu erkennen und beispielsweise zu sehen, dass das große Ruhebedürfnis des Hundes auf Schmerzen zurückzuführen ist und dass er nach der Behandlung der Ursachen auf einmal wieder spielt wie ein junger Hund. Das kommt öfter vor als man denkt, und solche Eventualitäten sollte man immer bedenken.

Wenn der eigene Hund langsam älter wird, betrachtet man ihn zunehmend mit anderen Augen. Er ist im Vergleich zu früher schwächer und anfälliger, hat schon einige Krankheiten hinter sich. Man ist jeden Tag besorgt, ob es ihm gut geht oder ob ihm vielleicht irgendetwas wehtut. Man schaut genauer hin und registriert jedes Schwanken, jedes Seufzen, jeden traurigen Blick, aber auch jedes Aufflackern von Freude und Begeisterung.

Früher, als er noch jung und fit war, war es ganz normal, dass er ab und zu „seine fünf Minuten“ bekam und wie verrückt herumrannte und tobte. Das kommt inzwischen selten vor. Aber wenn es mal wieder so ist und er auf einmal wie ein junger Hund zu toben beginnt, dann geht einem so richtig das Herz auf. Man wird von einem unbeschreiblichen Glücksgefühl durchflutet. Den alten Kumpel, mit dem man schon so viel erlebt hat, so fröhlich und unbeschwert zu sehen, das ist die größte Belohnung für all die Sorgen, die Operationen, die Stunden beim Tierarzt, in denen es ihm nicht gut ging. Denn das zeigt doch, dass er immer noch genug Kraft und Freude am Leben hat und sich nicht unterkriegen lässt. Dass es ihm trotz des Alters gut geht und er weiterhin Spaß haben will.

Altwerden ist nicht schön, auch für einen Hund nicht. Er merkt, wie seine Kräfte schwinden und dass er sich gegen jüngere Hunde nicht mehr so wie früher behaupten kann. Er merkt, dass ihm schneller kalt wird und dass er vieles, was ihm früher leichtfiel, nicht mehr schafft. Er kann vielleicht schlechter sehen und hören als früher, und das verunsichert ihn. Mit Veränderungen kommt er schlechter klar, eine Urlaubsreise wird für ihn zur Qual, er braucht seine gewohnte Umgebung und seine Strukturen. Wenn unser Hund alt wird, müssen wir wieder mehr für ihn da sein, bei ihm sein. Es ist eigentlich wie mit einem Welpen, er braucht einfach seine Menschen, er kommt nicht mehr so gut alleine klar.

Man muss sich auch darauf einstellen, dass ein alter Hund teurer wird, denn er wird schneller krank. Er muss eventuell öfter zum Tierarzt, und wenn man Pech hat, sind die Behandlungen langwierig und teuer. Er braucht vielleicht auch ein Spezialfutter. Wer nicht viel Geld hat, sollte diese Zeit vorausplanen und bereits anfangen zu sparen, solange der Hund noch jung und fit ist. Denn Krankheiten kommen oft sehr plötzlich, und es kann gut sein, dass dann innerhalb weniger Monate über tausend Euro investiert werden müssen, damit der Hund eine gute Behandlung erhält.

Hat man viele Jahre mit seinem Hund in enger Gemeinschaft verbracht, dann ist man aber gern bereit, für ihn Opfer zu bringen. Er ist schließlich ein Familienmitglied und ein guter Freund. Und ich bin sicher, dass es keineswegs vermenschlichend ist zu behaupten: Wäre es andersherum und wäre ich diejenige, die alt und gebrechlich wird, dann würde er auch nicht von meiner Seite weichen und alles versuchen, um mir zu helfen. Denn wir gehören einfach zusammen.

(Inga Jung, Oktober 2014)