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Bist du noch Hundebesitzer oder schon Hundefreund?

Wer die Einleitung zu meinem letzten Buch kennt, das im Jahr 2016 erschien, der weiß, dass ich mir schon seit Längerem Gedanken über gewisse Begrifflichkeiten mache. Ich meine insbesondere das Wort „Hundebesitzer“, oder auch „Hundehalter“.

Natürlich ist es rein rechtlich gesehen klar. Ich kaufe einen Hund, er ist mein Eigentum. Aber die Beziehung zum Hund sollte doch weit darüber hinausgehen. Ein Hund ist ein Freund, ein geliebtes Familienmitglied. Wir erwachsenen Menschen nehmen dem Hund gegenüber eine Elternrolle ein, und das ganz ohne vermenschlichen zu müssen. Denn genau dies ist die Rolle, in der unsere Familienhunde uns in aller Regel sehen.

Man könnte natürlich sagen, es ist doch egal, wie man es nennt, das hat doch nichts mit der Beziehung zum Hund zu tun. Aber das ist bedauerlicherweise oft nicht zutreffend. Worte schaffen Bilder im Kopf und Emotionen. Und es erzeugt unterschiedliche Bilder und Gefühle, je nachdem, ob ich von jemandem als mein Eigentum spreche, oder ob ich ihn einen Freund nenne.

Eigentum und Besitz sprechen wir pauschal keine Emotionen zu. Mit Eigentum kann man machen, was man will, und das ist auch in Ordnung so, weil es kein eigenes Gefühlsleben hat. Mein Sofa ist nicht traurig, wenn ich es nach einer langen Nutzungsdauer irgendwann auf den Müll werfe und mir etwas Neues kaufe.  

Bei einem Freund und Familienmitglied ist das anders. Einen Freund kann man verletzen, einen Freund muss man gut behandeln. Die Beziehung zu Freunden und Familie sollte von Liebe und gegenseitigem Respekt geprägt sein. Und unsere Hunde gehören definitiv zu dieser Gruppe, und nicht zur Ersteren.

Ich finde es sehr traurig, dass wir Menschen uns anmaßen, andere Tiere immer noch wie Gegenstände zu behandeln; zu kaufen und zu verkaufen, sie den Kindern zu Weihnachten zu schenken und dann einfach wieder wegzugeben, wenn die Familie keine Lust mehr auf sie hat. Dass wir andere Tiere für zahlreiche Zwecke missbrauchen und ihnen dafür sogar noch spezielle, ganz besonders abwertende Namen geben. Das ist kein Hund, das ist ein Versuchstier. Das ist kein Kälbchen, das ist ein Nutztier. Das ist keine Maus, das ist ein Futtertier. Das ist kein Fisch, das ist ein Köder. Damit haben wir im Handumdrehen fühlende Lebewesen zu Gegenständen gemacht, die wir nach Belieben ausbeuten und töten können, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Denn es war doch schließlich nur ein Nutztier. Die Schlange im Zooladen hatte Hunger, tja, Pech für die Maus, sie ist schließlich nur ein Futtertier.

Die Gedankenlosigkeit, mit der wir hierbei vorgehen, finde ich beängstigend und abscheulich. Diese Art, Lebewesen durch eine reine Umbenennung ihre Persönlichkeit zu nehmen und sie zu einer Sache zu degradieren, erinnert  mich auf unheilvolle Weise an die Vorgänge im Dritten Reich. Damals wurden die gleichen Muster benutzt. „Lebensunwertes Leben“ war damals ein Begriff, der den Menschen suggerierte, dass man mit den Ermordeten kein Mitleid zu haben braucht. Was die Opfer darüber dachten, wurde natürlich nicht zur Sprache gebracht. Und genau so gehen wir bis heute mit den Tieren um. Genau die gleichen Mechanismen benutzen wir bis heute. Nur ist das vielen von uns gar nicht bewusst.

Dabei haben unsere Familienhunde noch Glück, denn auch wenn wir weiterhin von Hundebesitzern sprechen, werden die meisten Hunde von ihren Menschen geliebt und müssen nicht befürchten, das grausame Schicksal eines Versuchstiers oder eines Nutztiers erleiden zu müssen. Aber mir ist es wichtig, dass wir uns klar machen, was unsere Sprache in uns auslöst. Was Worte alles bewirken können. Wenn wir uns das immer wieder vor Augen führen, dann laufen wir auch nicht so schnell Gefahr, abzustumpfen und auf abwertende Worte hereinzufallen.

Die Bilder, die die Worte erzeugen, wenn man sie ausspricht, haben mich schon vor vielen Jahren davon überzeugt, dass es wichtig ist, vorsichtig damit umzugehen. Ich rede und schreibe seit Längerem auch nicht mehr von Hundebesitzern. Ich nenne sie beispielsweise Menschen mit Hund, Hundemenschen, Hundefreunde, je nach Kontext. Es erzeugt einfach eine freundlichere Grundhaltung dem Hund gegenüber, und es drückt Respekt vor dem Hund als denkende, fühlende Persönlichkeit aus.

Diesen Respekt sollten wir alle uns bewahren, um unsere Hunde Tag für Tag wirklich fair und gut zu behandeln. Sie haben es vierdient.

(Inga Jung, April 2021)

„Du bist zu nett zu deinem Hund“

Wenn ich sehe, dass Menschen ihren Hund scharf zurechtweisen, spreche ich sie darauf an und bekomme dann hin und wieder zu hören, dass Hundetrainer ihnen gesagt haben, sie seien „zu nett“ zu ihrem Hund. Sie versuchen diesen „Makel“ dann zu beseitigen, indem sie besonders unfreundlich und streng mit ihrem Hund umgehen.

Wieder einmal finde ich es unfassbar, was Hundetrainer mit ihren Bemerkungen so alles anrichten können, und mindestens ebenso unglaublich finde ich es, dass Menschen diesen Ratschlägen völlig gedankenlos und ohne Emotionen folgen, anstatt auf ihr Bauchgefühl zu achten.

Dabei ist so ein Spruch einfach nur unsinnig. Man kann überhaupt nicht zu nett zu seinem Hund sein. Hunde sind großartig, aufrichtig und liebenswert. Jeder Hund – selbst ein Hund wie meine verrückte Luzi, die mir regelmäßig mit ihren lautstarken Gefühlsausbrüchen den letzten Nerv raubt – hat es verdient, immer und jederzeit von seinem Menschen nett behandelt zu werden.

Was vermutlich mit dem Satz gemeint ist, ist etwas ganz anderes, nämlich „du bist nicht konsequent“. Das ist aber überhaupt nicht miteinander vergleichbar.

Inkonsequentes Handeln verwirrt Hunde. Ist etwas heute erlaubt, morgen verboten und übermorgen wird der Hund sogar aktiv dazu aufgefordert, dann folgert der Hund daraus, dass sein Mensch offenbar selbst nicht weiß, was er will. Und dann macht der Hund eben das, was er selbst möchte. Das ist in der Beziehung zwischen Eltern und Kindern im Übrigen nicht anders. Das weiß ich sehr genau, denn ich war auch so ein Kind.

Mangelnde Freundlichkeit hingegen zerstört einfach nur die Vertrauensbasis zwischen Mensch und Hund. Nichts weiter. Ruppige Behandlung schafft Unsicherheiten und ein emotionales Ungleichgewicht. Das Einzige, was man damit erreicht, ist ein unglücklicher Hund. Und auch das kann man auf das Verhältnis zwischen Eltern und ihren Kindern problemlos übertragen.

Konsequent und gleichzeitig nett zu sein ist gar nicht schwer. Ich muss nur gewisse Regeln aufstellen und mich dann in erster Linie selbst daran halten. Nehmen wir mal ein Beispiel: Mein Hund soll nicht mit ins Bett. Nun bin ich aber krank oder mein Partner ist für ein paar Wochen nicht da, ich liege im Bett und fühle mich elend und einsam. Mein Hund sitzt vor mir und schaut mich an. Was mache ich? Na klar, ich hole meinen Hund zu mir ins Bett und wir kuscheln.

Das kann man machen, solange man sich der Tatsache bewusst ist, dass man in dem Moment seine eigene Regel gebrochen hat und von seinem Hund keinesfalls erwarten darf, dass er von nun an nie wieder ins Bett möchte. Dem Hund ist es natürlich völlig egal, dass in zwei Wochen sein Mensch wieder gesund ist und dessen Partner wieder seinen Platz im Bett beansprucht. Der Hund sieht nur, dass diese bisher immer aktive Regel nun aufgehoben wurde.

Konsequent zu sein bedeutet also in erster Linie, sich selbst im Blick zu haben und sich seiner eigenen Taten bewusst zu sein. Wenn ich dies jetzt tue, dann fasst mein Hund das soundso auf. Möchte ich das? Kann ich damit leben, dass sich unser Zusammenleben dadurch ändert und in Zukunft andere Regeln gelten? Oder möchte ich das nicht? Dann sollte ich mich nun tunlichst zusammenreißen und diese Regel nicht brechen.

Hunde sind sehr konsequent. Sie sind kooperativ und halten sich an einmal gelernte Regeln. Das ist eine wichtige Basis für ein stressfreies Zusammenleben im sozialen Verband. Aber im Gegenzug müssen wir fair sein und uns ebenso daran halten. Wenn wir die Regeln auflockern, dann dürfen wir von unseren Hunden nicht erwarten, dass sie sie weiterhin einhalten. Gleiches Recht für alle. So läuft das in einer Familie.

Und selbstverständlich funktioniert auch das Erlernen der Regeln ganz wunderbar mit viel Lob, Spiel und Spaß. Strafe ist gar nicht notwendig, denn jeder Hund, der neu in einen Haushalt kommt, versucht als Erstes herauszufinden, welche Regeln hier gelten. Er will und muss das wissen, damit er sich richtig verhalten und sich gut in die Familie einfügen kann. Wenn wir ihm auf liebevolle Weise beibringen, wie das Zusammenleben mit uns funktioniert, dann stärken wir gleichzeitig die wichtigste Basis für Alltag, Spiel und Training: Vertrauen.

Und jederzeit nett zu seinem Hund zu sein, das gehört selbstverständlich dazu.

(Inga Jung, Mai 2018)

 

 

 

 

Altenpflege, gute Laune und Leckerlis

Nun ist es schon März und ich sehe, dass ich seit Dezember kein Update für den Blog mehr geschrieben habe. Das hat einen ganz einfachen Grund: Mir fehlt die Zeit.

Meine alte Hündin Peppi ist inzwischen 14 Jahre alt geworden. Das ist ein wunderbares Geschenk. Ich habe viel Ahnenforschung betrieben und versucht, einiges über Peppis Verwandtschaft herauszubekommen. Leider sind sehr viele ihrer Verwandten nicht besonders alt geworden. Krebs, Herzprobleme und Epilepsie haben sie teilweise schon in recht jungen Jahren dahingerafft. Kaum ein Hund ist älter als 12 Jahre geworden.

Von Epilepsie sind Peppi und ihre Wurfgeschwister zum Glück verschont geblieben, in der Hinsicht war die Kombination ihrer Eltern eine gute Wahl. Aber das Herz und der Krebs sind auch bei ihnen eine ständige Bedrohung. Ihre Mutter starb mit 12 Jahren, ihr Vater wurde nicht ganz so alt, zwei ihrer Wurfgeschwister starben mit 11 Jahren, ihr Großvater mit 9 Jahren … und immer entweder das Herz oder der Krebs. Ich hatte daher nie zu hoffen gewagt, dass Peppi mehr als 12 Jahre schafft. Und jetzt ist sie 14.

Es waren allerdings keine 14 Jahre ohne Krankheiten. Wir haben schon ein paar lebensbedrohliche Situationen hinter uns, aber Peppi hat sich immer wieder durchgebissen und es geschafft, sich wieder aufzurappeln.

Inzwischen komme ich mir aber schon vor wie eine Altenpflegerin in Vollzeit. Mein Hund bekommt so viele Medikamente und Futterzusätze, dass ich schon überlegt habe, von drei auf vier Mahlzeiten aufzustocken, nur um die ganzen Mittelchen unterbringen zu können. Von den Kosten, die dafür monatlich anfallen, reden wir mal nicht.

Herz, Lunge, Nieren und Bauchspeicheldrüse arbeiten ohne Unterstützung nicht mehr ausreichend mit. Die Milz ist vergrößert, die Leber angegriffen … das gesamte System lässt langsam nach.

Stubenreinheit ist nicht mehr wirklich vorhanden, und beim Trinken wird der halbe Inhalt des Wassernapfes im Raum verteilt. Und wegen der Entwässerungstabletten trinkt Peppi andauernd. Es ist schon fast ein Vollzeitjob, hinter ihr her zu putzen.

Da ihr immer die Beine wegrutschen, wenn sie aus Näpfen frisst oder trinkt, die auf dem Boden stehen, haben wir die Wassernäpfe erhöht aufgestellt. Den Futternapf halte ich fest, während sie frisst. Das ist etwas zeitaufwändig, aber so kann ich zumindest direkt sehen, ob sie mit Appetit frisst, oder ob sie irgendwelche Probleme hat. Futterverweigerung ist bei ihr das Alarmzeichen Nummer eins.

Wegen ihrer Blindheit und Taubheit müssen wir immer aufpassen, dass nichts im Weg steht. Vor allem auf dem Spaziergang ist große Aufmerksamkeit geboten. Man muss sie um Mauern, Autos, Mülltonnen und tiefhängende Äste herumlenken, damit sie nicht dagegen läuft. Gräben, Löcher in der Wiese, Maulwurfshügel, Grasbüschel oder Treckerspuren im Acker sind gefährliche Hindernisse. Man muss immer ein paar Schritte vorausdenken, damit nichts passiert. Trotzdem stolpert Peppi oft, und manchmal fällt sie hin.

Doch es ist absolut bewundernswert, wie sie sich nach solchen Rückschlägen immer wieder aufrappelt und ihre positive Lebenseinstellung zurückgewinnt. Ein Leckerli als Trostpflaster reicht, und schon ist alles wieder in Ordnung. Sie hat so viel Freude am Leben und Spaß an der Freude, sie lässt sich einfach nicht unterkriegen. Nie wird gejammert. Sie nimmt ihre Einschränkungen einfach so hin und macht das Beste draus. Jeden Tag aufs Neue.

Abends besteht sie auf ihrer Leckerlisuche. Da ist sie inzwischen auch sehr eingefahren. Während sie sich früher immer gefreut hat, wenn wir unterschiedliche Spiele gespielt haben, verwirrt sie das heute nur noch. Sie will Leckerlis suchen, und basta. Und wenn ich keine Leckerlis auslege oder ihr nicht schnell genug bin, dann fängt sie einfach so schon mal an zu suchen.

Im Alter hat Peppi, die sich früher niemals durchgesetzt und immer brav alles akzeptiert hat, einen eisernen Willen entwickelt. Wenn ihr etwas nicht passt, dann zappelt sie so lange herum, bis sie sich durchgesetzt hat. Bürsten zum Beispiel, oder Pfoten abtrocknen. Oder sich streicheln oder vom Tierarzt untersuchen lassen. Das mag sie nicht, und das macht sie auch deutlich, indem sie demonstrativ wegläuft oder herumbockt wie ein kleines Rodeopony. Sie weiß genau, was sie will. Und das versucht sie auch durchzusetzen.

Das kann manchmal ganz schön anstrengend sein. Aber ich bin auch froh, dass sie so einen eisernen Willen hat, denn das zeigt mir, dass es ihr gut geht. Ich habe sie während ihrer schlimmen Krankheiten erlebt, z.B. bei der Bauchspeicheldrüsenentzündung. Da war sie vor lauter Schmerzen so willenlos und hat kaum reagiert. Als es ihr besser ging und sie wieder anfing, deutlich zu machen, dass sie keine Lust auf die Tierarztpraxis hatte, war ich heilfroh.

Beim Tierarzt bin ich – mal mit, mal ohne Hund – natürlich inzwischen Dauergast. Allein zum regelmäßigen Abholen von Medikamenten und Behältern für Kot- und Urinproben.

Und Peppi ist natürlich nicht mein einziger Hund. Wir haben ja auch noch Luzi, und die ist alles andere als pflegeleicht. Gesundheitlich ist sie zwar besser aufgestellt, aber ihre Verhaltensauffälligkeiten sind immer noch ziemlich nervenaufreibend. Vor allem jetzt, in der Zeit zwischen Januar und März, die besonders anstrengend ist.

Ich bitte also um Verzeihung, wenn hier immer mal wieder ein paar Monate Funkstille einkehrt. Es gibt im Altenpflege-Alltag auch nicht so wahnsinnig viel zu berichten, was einen Blog-Artikel füllen würde. Es sind mehr die Kleinigkeiten, die den Tag bereichern.

Für mich hat meine Peppi jedenfalls die oberste Priorität, und alles andere kann warten. Ich beobachte sie jeden Tag. Wenn es ihr schlecht geht, leide ich mit ihr. Wenn sie gut drauf ist, hopsen wir zusammen durch die Gegend und ich freue mich über ihren unbändigen Lebenswillen. Sie hat noch immer so viel Spaß am Spielen und man kann ihr mit einem einfachen Stückchen Trockenfutter eine so große Freude machen …

Es ist wundervoll zu sehen, wie einfach Glück doch sein kann. Wir Menschen wollen immer die großen Dinge, die großen Gesten, Feuerwerk und Diamanten. Aber das ist doch alles egal.

Keine Schmerzen, eine ordentliche Portion Optimismus und Vertrauen, gute Laune und Leckerlis – das ist es, was man wirklich braucht. Das lehrt mich mein Hund jeden Tag.

(Inga Jung, März 2018)

 

 

Buchtipp: „Hab keine Angst, mein Hund“

Neulich habe ich das Buch „Hab keine Angst, mein Hund. Ängste bei Hunden erkennen und abbauen“ von Rolf C. Franck und Madeleine Grauss (inzwischen Madeleine Franck) wiederentdeckt. Das Buch ist aus dem Jahr 2008 und somit schon etwas älter, aber immer noch absolut aktuell und wirklich empfehlenswert.

Zu Beginn gehen Rolf und Madeleine auf den biologischen Sinn von Ängsten und auf ihre Entstehung ein. Sie beschreiben, was enorm wichtig ist, dass Angst immer mit Erregung einhergeht. Und je stärker die Erregung ist, desto heftiger die Angst. Und desto schwieriger ist es, den Hund noch zu erreichen. Das heißt, an der Angst muss immer in den Situationen gearbeitet werden, in denen die Erregung des Hundes noch nicht so stark ist, in denen er noch ansprechbar ist. Versucht er schon zu fliehen oder anzugreifen, dann ist die Angst zu heftig und keine Arbeit an dem Verhalten mehr möglich.

Es wird gezeigt, was man auf keinen Fall tun sollte, zum Beispiel die Angst des Hundes ignorieren oder ihn zwingen, sich dem Angstauslöser zu nähern. Beides schadet dem Vertrauensverhältnis zwischen Mensch und Hund und verstärkt mit hoher Wahrscheinlichkeit die Angst.

Auch dass der Hund ein sicheres Umfeld zu Hause braucht, in dem er sich wohl fühlt und seine Bedürfnisse erfüllt werden, wird nicht vergessen. Ebenso dass der Mensch immer der „sichere Hafen“ sein muss, zu dem der Hund sich voller Vertrauen flüchten kann und darf.

Dann geht es weiter mit den Trainingstechniken, die in den verschiedenen Situationen hilfreich sind. Dabei werden typische Ängste und dafür geeignete Trainingstechniken beschrieben. Alles natürlich gewaltfrei und auf das Tempo des einzelnen Hundes abgestimmt.

Mir persönlich kommt nur eine einzige Sache in diesem Buch etwas zu kurz, nämlich dass man als Mensch an sich selbst arbeiten muss. Jeder, der mal mit einem ängstlichen, reaktiven Hund unterwegs war, kennt das: Man sieht oder hört den Auslöser der Angst und denkt unwillkürlich „oh nein!“. Das wiederum zieht körperliche Reaktionen nach sich, der Herzschlag beschleunigt sich, man bewegt sich anders, man wird nervös, man nimmt die Leine kürzer und so weiter.

Das ist ganz normal. Aber man macht es dem Hund dadurch unnötig schwer, denn wie soll er denn gelassen auf einen Angstauslöser reagieren, wenn sein Mensch ebenfalls Schweißausbrüche bekommt? Das bedeutet: Ich muss an mir arbeiten. Ich muss lernen, tief durchzuatmen und mich bewusst zu entspannen, um meinem Hund zu helfen.

Jeder kann das. Und wenn man das erst einmal gelernt hat, dann hilft es einem auch in vielen anderen aufregenden Situationen, zum Beispiel im Job, weiter. Es lohnt sich also doppelt, sich auch mit sich selbst und seinen eigenen Reaktionen auseinanderzusetzen und nicht immer nur auf den Hund zu schauen.

Von diesem einen Punkt abgesehen, finde ich das Buch absolut gelungen. Es ist durch die vielen Erläuterungen und praktischen Beispiele eine große Hilfe für Menschen mit Hunden, die ihr Heil bisher in Flucht oder Angriff gesucht haben und ihre Ängste nun langsam abbauen sollen.

(Inga Jung, Juli 2017)

 

Buchtipp: „Medical Training für Hunde“

Es wird Zeit für eine Wiederaufnahme der Buchtipps:

Heute möchte ich das ganz wundervolle und rundum gelungene Buch „Medical Training für Hunde. Körperpflege und Tierarztbesuche vertrauensvoll meistern“ von Anna Oblasser-Mirtl und Barbara Glatz vorstellen.

Es wird zunächst beschrieben, wie Hunde eine unter Zwang durchgeführte Dusche, Schur oder das Krallenschneiden empfinden und dass sie dabei oft in enormen Stress geraten, bis hin zu Angstzuständen, weil sie einfach nicht wissen, was der Mensch mit ihnen vorhat.

Dabei ist es gar nicht so schwer, einem Hund Schritt für Schritt zu zeigen, was man tun möchte, und ihn sogar aktiv mitwirken zu lassen. Diese aktive Gestaltungsmöglichkeit gibt dem Hund Sicherheit und das gute Gefühl, dass ihm nichts Schlimmes geschehen wird.

In diesem kleinen Büchlein werden nun zahlreiche Situationen beschrieben und sehr praxisnahe, in kleinen Schritten aufgebaute Trainingstipps gegeben. Beispielsweise kann der Hund lernen, seinen Kopf auf den Schoß des Menschen zu legen und dort zu lassen, während seine Ohren untersucht werden. Oder er lernt, auf eine Matte zu treten und dort stehen zu bleiben, während er vom Tierarzt geimpft wird.

Dabei hat er stets die Möglichkeit, dieses Verhalten zu unterbrechen und dadurch eine Pause einzufordern, wenn es zu viel für ihn wird. Damit das in der realen Anwendung beim Tierarzt nicht geschieht, muss das gesamte trainierte Verhalten sorgfältig generalisiert werden.

Wer jetzt tief durchatmet, dem sei gesagt: Ja, stimmt, das ist eine ganze Menge Arbeit. Aber was ist diese Arbeit schon, wenn man im Gegenzug einen Hund bekommt, der sich beim Tierarzt vertrauensvoll und ruhig untersuchen lässt, sich freiwillig auf dem Röntgentisch in die Seitenlage legt und zum Blutabnehmen sogar die Pfote reicht? Was für ein Traum!

Dafür ist allerdings auch ein kooperativer Tierarzt vonnöten. Um die Abläufe trainieren und den Hund optimal vorbereiten zu können, muss man sich vorher die genaue Information vom Tierarzt holen, was denn eigentlich gemacht wird. Und das ist meiner Erfahrung nach nicht so einfach. Da trainiert man beispielsweise das Blutabnehmen an der Vorderpfote, und dann besteht der Tierarzt auf einmal darauf, am Hinterlauf Blut abzunehmen. Oder es wird vorher gesagt, dass für die Ultraschalluntersuchung nur der Bauch rasiert sein muss und der Hund dabei stehen darf, aber in der Praxis stellt sich heraus, dass doch eine Rasur des Brustkorbs nötig ist und der Hund liegen muss. Dann ist alles Training auf einmal für die Katz.

So etwas darf nicht passieren, daher sind das Vertrauensverhältnis zum Tierarzt und die Verlässlichkeit seiner Aussagen hier ebenso wichtig wie das fleißige Trainieren.

Ebenso muss der Tierarzt einverstanden sein, dass man auch bei ihm in der Praxis übt, denn sonst ist eine ausreichende Generalisierung nicht möglich.

Das Buch gibt aber nicht nur Tipps für Tierarztbesuche, sondern auch für all die Dinge, die man selbst zu Hause machen kann: vom Krallenschneiden über die Ohrenpflege und das Zähneputzen, bis hin zum Fiebermessen und dem Verbinden von Verletzungen sowie dem Duschen des Hundes und dem Scheren des Fells und noch weiteren Alltagssituationen. All das wird früher oder später in einem Hundeleben mal benötigt, und es ist sinnvoll, es mit dem Hund zu üben, damit er freiwillig und gern mitarbeitet.

Wer sich unter den Beschreibungen der Trainingsschritte im Text nicht genug vorstellen kann und das Ganze gern einmal in der Praxis sehen möchte, der findet im Anhang des Buches auch noch einige Video-Links, in denen die wichtigsten Abläufe gezeigt werden. Zusätzlich sind zahlreiche Fotos im Buch, die die trainierten Verhaltensweisen illustrieren.

In unseren heutigen Zeiten, in denen Hunde immer mehr zu geliebten Familienmitgliedern werden, ist es wirklich kaum zu begreifen, warum sie zu so einfachen Dingen wie dem Krallenschneiden nach wie vor so oft gezwungen werden. Obwohl das doch gar nicht nötig ist. Das Buch setzt hier an und zeigt auf, dass es auch ganz anders geht. Eine wirklich runde Sache, wie ich finde. Mit sehr viel Liebe und Verständnis für die vierbeinigen Patienten geschrieben.

(Inga Jung, Mai 2017)

 

 

 

 

 

 

Ist mein Hund wirklich glücklich?

Hund zu sein ist in unserer Gesellschaft schwierig geworden. Die Erwartungen an unsere „modernen“ Hunde sind immens. Und wenn die Menschen dann auch noch veralteten Erziehungsratschlägen, wie z.B. den längst überholten Rangordnungsmodellen, folgen, dann verstehen unsere armen Hunde schnell die Welt nicht mehr. Es ist oft ein schmaler Grat zwischen geliebtem Haustier und gequälter Seele. Und die Menschen scheinen in vielen Fällen noch nicht einmal zu merken, was sie ihrem Hund antun.

Überprüfen wir doch mal ganz ehrlich und selbstkritisch unsere eigene Erwartungshaltung an unseren Hund. Wie wünschen wir uns unseren Hund? Wie soll er sein? Wie soll er sich verhalten? Wie viel Freiheit gestehen wir ihm zu?

Häufig höre ich dann Antworten wie: „Mein Hund darf sehr viel, aber das muss er schon können und hier muss er sich so verhalten und dort darf er natürlich nicht …“ Und schon hat man wieder eine ellenlange Liste von Einschränkungen, Ge- und Verboten und absoluten Tabus. Das ist leicht verständlich, denn es sind nicht nur unsere eigenen Erwartungen, sondern es lastet auch ein gesellschaftlicher Druck auf uns Hundehaltern. Da müssen wir uns anpassen. Und das ist ja auch richtig so.

Ich möchte nur davor warnen, hier einen ungesunden Perfektionismus zu entwickeln und dem Hund Dinge abzuverlangen, die er gar nicht leisten kann. Es geht nicht nur um uns. Wichtig ist nicht nur das, was wir uns von unserem Hund wünschen. Wir müssen uns auch fragen, was sich unser Hund von uns wünscht. Versetzen wir uns doch mal in seine Lage. Aus seiner Sicht ist unsere Welt unfassbar kompliziert und unverständlich. Er braucht unsere Anleitung und unseren Schutz, um zurechtzukommen.

Ich selbst war früher auch so ein Mensch. Als ich meinen ersten Hund hatte, da habe ich immer die Menschen bewundert, die mit ihrem unangeleinten Hund durch die Stadt liefen, denen der Hund problemlos frei durch das dichteste Menschengetümmel folgte und selbst an stark befahrenen Kreuzungen absolut verlässlich zu sein schien. Und ich sage bewusst „zu sein schien“, denn inzwischen habe ich tragischerweise genug solche Hunde gesehen, die unter einem Auto gelandet sind, weil die absolute Verlässlichkeit einfach ein Trugschluss ist. Es braucht nur einen kleinen Reiz wie ein Eichhörnchen auf der anderen Straßenseite oder eine Handbewegung des Menschen, die der Hund falsch als Signal zum Loslaufen gedeutet hat, und schon ist das Unglück passiert. Womit wir wieder bei Menschen wären, die von ihrem Hund einfach zu viel verlangen. Und auch wieder bei meinem eigenen Beispiel.

Damals habe ich mir immer gesagt, beim nächsten Hund wird alles anders. Und als ich dann endlich meinen nächsten eigenen Hund bekam, da wollte ich, dass dies der perfekte Hund wird. Ich bin damals für mein heutiges Empfinden sehr hart mit meinem Hund umgegangen. Geblendet von den gängigen Rangordnungstheorien und geleitet von dem Gedanken, mein Hund müsse mich überallhin begleiten, habe ich überhaupt nicht erkannt, was für eine zarte, empfindsame Seele da an meiner Seite war. Viele Wünsche meines Hundes habe ich unterdrückt, weil sie nicht zu meiner Vorstellung passten. Ich habe sogar körperliche Maßregelungen wie den Schnauzgriff angewandt, und das bei einem Hund, dessen Welt schon zusammenbricht, wenn man ihn nur einmal mit einem tadelnden Blick ansieht. Etwas, das ich mir nie verzeihen werde.

Wie konnte ich nur so dumm und blind sein? In meinem egoistischen Bestreben, den perfekten Hund zu bekommen, habe ich gar nicht bemerkt, dass dieses liebevolle, zarte, harmoniesüchtige Wesen bereits von dem Moment seiner Geburt an absolut perfekt war.

Heute läuft es anders bei uns. Bevor ich meine Hunde auf einen Ausflug mitnehme, überlege ich mir, ob sie dabei auch Spaß haben, oder ob sie vielleicht glücklicher wären, wenn ich sie zu Hause lasse.

Ich gehe einzeln mit meinen sehr unterschiedlichen Hunden spazieren, weil sie beide zufriedener sind, wenn ich ganz auf ihre Bedürfnisse eingehen kann und sie nicht jeden Tag Kompromisse machen müssen. Das ist anstrengend für mich, aber es ist auch wunderschön, weil ich so die Möglichkeit habe, mich täglich intensiv mit den Hunden einzeln zu befassen, was bei einem gemeinsamen Spaziergang nicht machbar wäre.

Ich freue mich darüber, dass meine inzwischen alte Hündin ihre Meinung äußert und mir zeigt, auf welchem Spazierweg sie heute Gassi gehen möchte und wo nicht. Und mir geht das Herz auf, wenn ich sehe, wie glücklich sie ist, weil ich auf sie achte und ihren Wünschen folge. Das ist eine Erfahrung, die sie als junger Hund nie machen durfte.

Es geht mir nicht mehr darum, was ich gerne möchte, und vor allem geht es mir nicht mehr um das, was andere von mir und meinem Hund denken. Es geht mir nur noch um das Glück meiner Hunde, auch wenn das für mich manchmal anstrengend ist.

Das heißt natürlich nicht, dass meine Hunde tun und lassen dürfen, was sie wollen. Sobald sie sich selbst oder andere in Gefahr bringen könnten oder sich auch nur jemand von ihnen belästigt fühlen könnte, greife ich selbstverständlich ein und nehme sie an die Leine. Auch der zuverlässige Rückruf ist wichtig, um Gefahren abzuwenden. Aber ich stelle keine unnötig hohen Anforderungen mehr an meine Hunde. Sie müssen nichts tolerieren, was sie nicht wollen. Ich verlange zum Beispiel nicht von ihnen, dass sie still stehen und sich von einem Fremden streicheln lassen, nur weil ich das gerade möchte. Ich weiß, dass meine Hunde das beide nicht gern mögen, und dann haben sie auch absolut das Recht, es zu verweigern. Ich will schließlich auch nicht von jedem Fremden angefasst werden, also warum sollte ich von meinen Hunden etwas verlangen, was ich selbst noch nicht einmal tun würde.

Die Augen geöffnet hat mir im Grunde unsere Hündin Luzi, die einen sehr speziellen, anstrengenden, aufbrausenden Charakter hat und anfangs auch sehr unsicher war. Mit ihr war von Anfang an nichts von all dem, was ich mit meiner älteren Hündin gemacht habe, möglich. Kneipenbesuche, Einkaufsbummel, Begegnungen mit fremden Menschen – alles absolut unvorstellbar. Ich musste all meine Ansprüche auf null herunterschrauben.

Es ist erstaunlich, wie es den eigenen Blickwinkel verändert, wenn man mit einem Hund unterwegs ist, bei dem man schon froh ist, wenn er einen Passanten, der ihn im Vorbeigehen kurz angeschaut hat, nicht sofort angreift. Mir wurde erst im Alltag mit Luzi klar, wie viel ich von meinem anderen Hund verlangt hatte. Und dass es keinesfalls selbstverständlich ist, dass ein Hund in unserer verwirrenden, aufregenden modernen Welt zurechtkommt, ohne durchzudrehen.

Durch diese Veränderung meines Blickwinkels habe ich auch die Anforderungen an meinen anderen Hund zurückgedreht, ihm mehr Freiheiten gelassen und weniger von ihm verlangt. Ihn nicht mehr überallhin mitgenommen und ihm mehr Halt gegeben. Und siehe da, er wurde auf einmal viel fröhlicher, alberner, verspielter, und das bis ins hohe Alter. Es tat ihm gut, diese Last nicht mehr tragen zu müssen. Wäre mir das nur vorher schon aufgefallen, dann hätte ich ihm einiges erspart.

Wir müssen unsere egozentrische Weltsicht, die für uns Menschen so typisch ist, überdenken. Wir müssen anfangen, uns wirklich ehrlich zu fragen, ob wir nicht zu viel von unseren Hunden wollen. Ob sie nicht glücklicher wären, wenn wir ihnen einfach mehr Schutz und Geborgenheit bieten und nicht ständig das Unmögliche von ihnen fordern. Wir müssen uns in unsere Hunde hineinversetzen und die Welt aus ihrem Blickwinkel betrachten.

Und ist es wirklich notwendig, dass unser Hund uns überallhin begleitet? Ich denke, er wäre manchmal vielleicht doch zufriedener, wenn er zu Hause auf dem Sofa in aller Ruhe ein Schläfchen machen und darauf warten dürfte, dass seine Menschen vom Stadtfest, das sie ohne ihn besucht haben, zurückkehren.

Muss ein Hund es erdulden, dass sich eine ganze Kindergartengruppe schreiend um ihn schart und lauter klebrige, kleine Hände ihn anfassen? Auch wenn das für die Kinder sicherlich eine pädagogisch wertvolle Erfahrung ist – ich möchte in so einer gruseligen Situation nicht in der Haut dieses Hundes stecken.

Unsere Hunde haben nicht die Wahl. Sie sind unseren Entscheidungen ausgeliefert. Es liegt in unserer Verantwortung, sie vor Überforderung zu schützen und ihnen nicht zu viel zuzumuten.

(Inga Jung, März 2017)

Betreten verboten! Territorialverhalten bei Hunden verstehen

Mein drittes und damit neuestes Buch ist im Oktober 2016 im Kynos Verlag erschienen und ab sofort überall im Handel erhältlich!:

Betreten verboten! Territorialverhalten bei Hunden verstehen
Inga Jung
1. Auflage Herbst 2016, Kynos Verlag

Territorialverhalten

Bitte lassen Sie sich nicht von dem hässlichen Titelbild abschrecken. Das Cover war NICHT meine Idee und hat auch nicht meine Zustimmung. Aber vielleicht gewinne ich irgendwann damit einmal den Preis für das abscheulichste Sachbuch-Cover, wer weiß … 😉
Es gibt bisher wenige Bücher zum Thema Territorialverhalten bei Hunden, und die Bücher, die ich zu dem Themenbereich gefunden habe, waren leider qualitativ sehr schlecht. Ich fand daher, dass es an der Zeit ist, ein Buch über Territorialverhalten zu schreiben, welches sowohl die Hintergründe des Verhaltens erklärt und verständlich macht, als auch viele Praxistipps für unterschiedliche Situationen bereithält.
Dabei liegt mein Fokus selbstverständlich auf einem gewaltfreien Umgang mit dem Hund. Auch wenn Territorialverhalten häufig mit Aggressionsverhalten einhergeht, gibt es keinen Grund, als Mensch ebenfalls aggressiv zu reagieren. Es gibt viele Möglichkeiten, Territorialverhalten durch eine durchdachte Kombination aus Management und positivem Training, das Hund und Mensch Spaß bringt, im Alltag kontrollierbar zu machen, sodass von dem Hund keinerlei Gefahr ausgeht.

Wie man dies umsetzt, welche Situationen speziell beachtet werden müssen, wie man vorausschauend agiert und vieles mehr werde ich in meinem neuen Buch beleuchten.
Obwohl es sich um Hunde aller territorial veranlagten Rassen und Mischlinge drehen wird, sehe ich mein neues Buch unter anderem auch als Ergänzung zu meinem 2011 erstmals erschienenen Buch „Unser Hund – Der Australian Shepherd“, das gerade in der 4. Auflage gedruckt wird. In meinem ersten Buch konnte ich aus Platzgründen nicht ausführlich genug auf das Thema Territorialverhalten eingehen. Ich habe dies im Grunde immer nur kurz angesprochen, aber es hätte den Rahmen des Buches gesprengt, ins Detail zu gehen. Nun wird in diesem Jahr mit meinem neuen Buch endlich eine ausführliche Besprechung des Territorialverhaltens erscheinen, die aufzeigt, was einen mit einem territorial motivierten Hund erwarten wird und wie man damit umgehen sollte. Für Freunde meines Buches über den Australian Shepherd ist mein neues Buch eine absolute Empfehlung zum Weiterlesen.

 

Der Verlag beschreibt mein neues Buch wie folgt:

Hunde haben es oft nicht leicht: Jahrtausendelang wurden sie zum Bewachen von Haus, Hof und Eigentum gezüchtet, und plötzlich sind diese Eigenschaften nicht mehr gefragt. Der Hund soll plötzlich jeden Gast freundlich willkommen heißen – aus Hundesicht häufig ein Unding.

Das „Aberziehen“ dieses in vielen Rassen tief verwurzelten Verhaltens, womöglich noch durch Strafen, hat folglich wenig Erfolgsaussichten – wohl aber das Umlenken in gewünschte und akzeptable Bahnen, wenn man den Hund und sein Denken auch ernst nimmt und seine Bedürfnisse berücksichtigt.

Aus Erfahrung selbst schlau geworden, erklärt Hundetrainerin Inga Jung, wann und warum sich Hunde territorial verhalten und bewirkt damit zahlreiche „Aha-Momente“ auch bei erfahrenen Hundebesitzern.

Wie kleine Veränderungen im Alltag Großes bewirken können und mit welchen Schritten man dem Hund erklärt, dass man selbst in der Lage ist, über das Hereinlassen von Besuch zu entscheiden, erfahren Sie in diesem Buch.

Der Faktor Sonnenbrille

 

Sommer, Sonne, Sonnenschein – und schon laufen alle Hundeleute mit Sonnenbrille herum. Ist ja auch besser für die Augen und gegen Hautalterung usw. Und sieht natürlich auch total cool aus.

Seltsamerweise reagiert Rudi heute auf keine einzige Anweisung. Er wirkt planlos und unkonzentriert. Sonst ist Rudi eigentlich ein sehr verlässlicher Hund. Sein Mensch vermutet, dass das von der Hitze kommt. Vielleicht ein Sonnenstich?

Rudi indessen ist irritiert. Er ist es gewohnt, im Gesicht seines Menschen zu lesen, dessen Stimmung in seiner Mimik zu erkennen und aus jedem seiner Blicke Rückschlüsse auf das, was gleich kommen wird, zu ziehen. Heute aber ist da nichts zu sehen. Nur zwei dunkle Gläser starren ihn ausdruckslos an. Was ist bloß mit seinem Menschen los? Ob der wohl krank ist? Warum kommuniziert er nicht so wie sonst?

All das verunsichert Rudi und er weiß nicht so recht, was er tun soll. Er reagiert zögerlich auf die ihm eigentlich bekannten Signale, denn diese sind heute irgendwie anders als sonst. Es fehlen wichtige Elemente. Er ist angespannt.

Rudi und sein Mensch haben nun den Wald erreicht. Hier ist es schattig, und Rudis Mensch nimmt seine Sonnenbrille ab. Rudi ist überglücklich. Endlich kann er wieder erkennen, was sein Mensch ihm sagen möchte. Endlich ist wieder der für ihn so wichtige Blickkontakt möglich. Endlich ist die Welt wieder in Ordnung und er kann sich entspannen.

Ich glaube, die meisten Menschen kennen selbst dieses unangenehme Gefühl, wenn man sich mit einem anderen Menschen unterhält und dieser dabei eine so dunkle Sonnenbrille trägt, dass man seine Augen nicht erkennen kann. Es fühlt sich merkwürdig an. Irgendwie als ob der andere nicht ganz ehrlich sei, weil er seine Augen versteckt. Wer weiß, wo er die ganze Zeit hinschaut und ob er vielleicht gelangweilt mit den Augen rollt, während wir ihm unser Herz ausschütten.

Wenn wir mit jemandem sprechen, lesen wir gleichzeitig in seinem Gesicht. Wir sehen, ob die gesprochenen Worte mit der gezeigten Mimik zusammenpassen, ob das Gesamtbild stimmig ist. Ist es das nicht, dann wirken die Worte aufgesetzt, weil die Mimik etwas anderes widerspiegelt. Haben wir nicht die Möglichkeit, das ganze Gesicht zu sehen, dann irritiert uns das.

Dabei sind wir Menschen ja durchaus in der Lage, allein aus gesprochenen Worten einen Sinn zu erschließen und den Inhalt des Gesagten zu verstehen, auch ohne dass wir unseren Gesprächspartner direkt sehen. Wie viel schwerer muss es für unsere Hunde sein, die das nicht können, sondern einen Großteil ihrer Informationen in der Kommunikation mit uns aus unserer Mimik und Gestik ziehen, wenn wir unsere Augen hinter einer dunklen Sonnenbrille verstecken?

Sicherlich kann ein Hund lernen, allein auf ein gesprochenes Wort hin etwas Bestimmtes auszuführen. Da Hunde aber zunächst automatisch den kompletten Kontext mitlernen (also auch unsere Körperhaltung, unseren Blick sowie die gesamte Umgebung), muss man mit einem Hund gezielt üben, dass er wirklich nur auf das Wort reagiert und nicht noch mehr Signale braucht, um zu erkennen, was wir von ihm erwarten. Das kann er nicht von alleine.

Weiterhin besteht die Kommunikation mit Hunden nicht nur aus gelernten Signalen, sondern ein Hund und sein Mensch kommunizieren die gesamte Zeit. Zumindest kommuniziert der Hund mit seinem Menschen. Ob der Mensch das auch bemerkt und darauf eingeht oder sich typisch menschlich ignorant nur mit sich selbst beschäftigt oder Pokemons jagt, das ist natürlich eine andere Frage.

Ich möchte keinesfalls ein Sonnenbrillenverbot ausrufen. Im Gegenteil, Sonnenbrillen erfüllen wichtige Funktionen und sind ein oftmals notwendiger Schutz. Aber ich möchte Menschen dafür sensibilisieren, wie stark sich die Kommunikation mit ihrem Hund dadurch, dass ihre Augen nur noch seelenlose dunkle Gläser sind, verändert. Man darf sich einfach nicht wundern, wenn ein Hund auf einmal nicht mehr weiß, was „Sitz“ heißt, sobald sein Mensch eine Sonnenbrille trägt. Denn der komplett andere Gesichtsausdruck kann auch das gesamte Signal so verändern, dass der Hund es nicht mehr erkennt.

Um dem Hund gegenüber fair zu bleiben, wäre es vielleicht eine gute Idee, auf dem Spaziergang zumindest immer dann, wenn der Hund sich wirklich angesprochen fühlen soll, die Brille einmal kurz abzunehmen und dem Hund so die Deutung des Gesagten im mimischen Kontext zu erleichtern. Schließlich ist es für ihn ohnehin schon anstrengend genug, tagtäglich die Sprache einer anderen Art decodieren zu müssen, da sollten wir es ihm nicht noch zusätzlich erschweren.

(Inga Jung, Juli 2016)

 

„Wir haben da so einen Problemhund“

 

Ich weiß nicht, wie oft ich diesen Satz am Telefon gehört und in E-Mails gelesen habe. Während meiner Zeit als Hundeverhaltensberaterin, aber auch jetzt noch erhalte ich immer wieder Anrufe von Menschen, deren erster Satz lautet: „Wir haben da so einen Problemhund zu Hause.“ Und oftmals war’s das dann auch schon. Mehr Info ist nicht nötig, der Hund ist ein Problemhund, damit ist doch alles gesagt.

Ich wundere mich immer wieder, wie konsequent Menschen sein können, wenn es darum geht, andere in eine Schublade zu packen und da nie wieder rauszulassen. Geht es aber um den Umgang mit dem Hund, dann ist Konsequenz wieder ein Fremdwort, und der arme Hund wird heute für das gleiche Verhalten gelobt, für das er morgen einen Satz heiße Ohren bekommt.

Problemhund scheint das neue Modewort zu sein, und das kommt sicher nicht von ungefähr. Einen Problemhund zu haben ist nämlich sehr bequem. Nicht ich habe Fehler gemacht, nicht ich stelle zu hohe Erwartungen an meinen Hund, nein, der Hund ist das Problem. Ein Problemhund eben. So, basta. Und jetzt, lieber Hundetrainer, tun Sie mal was dagegen, sonst kommt der ins Tierheim. Dann hol ich mir einen neuen Hund, der funktioniert bestimmt besser und ist nicht so ein Problemhund wie der alte.

Ich weiß, diese Schilderung klingt wie die Übertreibung des Jahrhunderts. Leider sieht genau so oft die Realität aus. Die gute Nachricht lautet: Die meisten Menschen mögen ihren Hund trotzdem irgendwie, mehr oder weniger. Und häufig steckt auch eine Menge Unsicherheit dahinter. Genau da muss man ansetzen.

Es gehört viel Fingerspitzengefühl dazu, in so einer Konstellation den Menschen auf freundliche Weise dazu zu bringen, seine Perspektive zu verändern und die Welt mal mit den Augen seines Hundes zu betrachten. Meiner Ansicht nach ist ein guter Hundetrainer jemand, der die Geduld und die rhetorischen Fähigkeiten hat, dies immer und immer wieder mit unterschiedlichen Menschen erfolgreich durchzuspielen, ohne dabei unfreundlich oder überheblich zu werden. Ist der Mensch erst einmal in der Lage, sich in seinen Hund hineinzuversetzen und nachzuvollziehen, warum er dieses Verhalten zeigt, dann hat man einen Fuß in der Tür. Zeigt sich der Mensch nun gesprächsbereit, dann ist der Weg zu einem gemeinsamen Training mit dem Hund, statt gegen ihn, geebnet.

Dieser Wandel in der Sichtweise ist für ein zufriedenes Zusammenleben von Mensch und Hund das Wichtigste. Der Mensch muss lernen, sich in seinen Hund hineinzudenken und mit ihm gemeinsam Lösungen zu finden, das Hauptaugenmerk auf seine positiven Eigenschaften zu legen und diese zu fördern. Dann wird auch das als problematisch empfundene Verhalten weniger werden, oder vielleicht wird es den Menschen einfach nicht mehr stören, weil er versteht, warum sein Hund sich so verhält. Diesen Wechsel in der Perspektive habe ich oft miterlebt, und so manche Beratungsstunde endete damit, dass die Menschen mir glücklich sagten, wenn das so sei wie ich es erklärt habe und der Hund aus diesen Gründen handele, dann sei das Verhalten gar kein Problem mehr für sie. Aber auch bei wirklich schwierigen Verhaltensweisen half das Verständnis für den Hund dem Menschen, das Training liebevoll und positiv aufzubauen, was zu einem nachhaltigeren Erfolg führte.

Warum ist das nun so, dass Hunde heutzutage so oft als „Problemhunde“ bezeichnet werden? Früher gab es das nicht. Ich kann mich nicht erinnern, in den 1980er- oder 1990er-Jahren mal das Wort „Problemhund“ gehört zu haben, obwohl die Hunde damals das gleiche Verhalten an den Tag legten wie heute. Aber meistens akzeptierten die Menschen das und lebten damit, dass ihr Hund bellte, bettelte oder die Besucher biss. Das war eben so.

Ich will jetzt nicht sagen, dass man so ein Verhalten auch heute noch einfach akzeptieren und damit leben sollte, schließlich ist man ja auch seinen Mitmenschen gegenüber in der Verantwortung, aber ein bisschen mehr Toleranz dem Hund und seinen Angewohnheiten gegenüber täte uns ganz gut.

Denn meiner Erfahrung nach glauben viele Menschen in erster Linie deswegen, ihr Hund sei problematisch, weil ihnen das irgendwelche selbsternannten Hundeprofis mit ihren perfekten Vorzeigehunden oder die zahlreichen Hundeerziehungssoaps im Fernsehen eingeredet haben. Dann werden die Leute unsicher und beginnen, an ihrem Hund und dessen Motiven sowie an der kompletten Beziehung zwischen ihnen und ihrem Tier zu zweifeln. Wenn es ganz schlimm kommt, sehen sie alles, was ihr Hund tut, aus einem negativen Blickwinkel und unterstellen ihm niedere Beweggründe, auf die nun wirklich nur ein Mensch kommen kann.

Würde es wieder in Mode kommen, Hunde so zu akzeptieren wie sie sind, mit all ihren persönlichen Stärken und Schwächen, dann gäbe es schlagartig keine „Problemhunde“ mehr, und viele Menschen wären wieder sehr viel glücklicher mit ihren vierbeinigen Familienmitgliedern.

(Inga Jung, Mai 2016)

 

Buchtipp: „Leben mit Hunden – gewusst wie!“

 

Lange Zeit habe ich auf ein Buch gewartet, das umfassend und allgemein auf das Leben mit Hunden und die Beziehung zwischen Mensch und Hund eingeht und dabei sowohl den aktuellen Stand der Wissenschaft als auch moderne Erziehungsmethoden berücksichtigt. Ein Buch, das mit alten Hüten wie Dominanz-, Rudel- und Rangordnungsmodellen aufräumt und zeigt, wie ein partnerschaftliches Zusammenleben von Mensch und Hund heutzutage funktionieren kann. Im April 2014 ist es endlich im Kynos Verlag erschienen: „Leben mit Hunden – gewusst wie!“

Leben mit Hunden

Das Buch wurde von einem Kollektiv verschiedener Autorinnen und Autoren aus dem deutschsprachigen Raum verfasst, die sich dem auf Lob und positiver Verstärkung basierenden Hundetraining verschrieben haben. Viele von ihnen kenne ich persönlich von gemeinsam besuchten Fortbildungen, denn ihnen allen ist Weiterbildung ein wichtiges Anliegen. Ohne die neuesten Erkenntnisse der Verhaltensforschung würde Hundetraining auf der Stelle treten, Trainer könnten sich nicht weiterentwickeln. Trainer, die keine Fortbildungen besuchen, sind hier lebendige – und warnende – Beispiele. Die ständige Vertiefung seines Wissens und Erweiterung seines Horizonts sind absolute Notwendigkeiten für einen Hundetrainer. Und ebenso wichtig ist es, dieses Wissen an die Hundebesitzer weiterzugeben. Dieses Buch ist ein wunderbarer erster Schritt, auch für Hundeanfänger, dem Thema näherzukommen.

Natürlich ist es nicht möglich, auf nur 180 Seiten alles Wissen über das Leben mit Hunden zu versammeln. Dass die Autorinnen und Autoren diese Herausforderung dennoch angenommen und versucht haben, kurz und knapp, aber doch aussagekräftig, einen Überblick zu schaffen, verdient Respekt. Ich selbst traue mich nicht, ein so umfassendes Thema in so einer engen Verpackung darzustellen, denn ich wäre mit dem Ergebnis niemals zufrieden. Es würden zu viele wichtige Aspekte fehlen. Aber wir brauchen ein solches Übersichtswerk, das leicht zu lesen ist, einen ersten Einblick verschafft und Lust darauf macht, tiefer in die Materie einzusteigen.

Vielen Dank an den Herausgeber Stefan Wittenfeld und all Autorinnen und Autoren für dieses Buch. Es hat vor seinem Erscheinen viel zu lange in meinem Regal gefehlt.

(Inga Jung, März 2016)