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Die Sache mit der Freiheit

 

Freiheit – jeder wünscht sie sich und seinen Tieren. Freiheit ist etwas Wundervolles, sie ist unser höchstes Gut. Die Freiheit des Einen darf aber nicht die Freiheit des Anderen einschränken. Wir sind schließlich nicht allein auf der Welt, und Rücksichtnahme gehört einfach dazu. In Bezug auf uns Hundehalter bedeutet das in erster Linie, dass unser Hund keine anderen Lebewesen – seien es Menschen, andere Hunde oder auch Wild-, Haus- und Weidetiere – belästigen oder gar gefährden darf.

Das sagt sich so einfach, aber es beinhaltet doch eine Menge Voraussicht und Verantwortungsbewusstsein, unterwegs mit einem freiheitsliebenden Hund schnell genug reagieren zu können, um den Hund auch wirklich zu jeder Zeit unter Kontrolle zu haben, wenn das denn nötig ist. Denn wenn er den rennenden Hasen vor der Nase hat, ist es meist eh zu spät, um noch zu rufen. Man muss die Gegend schon so genau im Auge haben, dass man den Hasen vor dem Hund sieht, sonst hat man keine Chance.

Dennoch sind Freiheit und hier insbesondere die freie Bewegung innerhalb gewisser Grenzen und die Möglichkeit, auch mal „der Nase nach“ zu laufen enorm wichtig für das Wohlbefinden unserer Hunde. Dabei ist eine 20-Meter-Leine für einen Hund, der eine sehr starke Jagdleidenschaft hat, auch schon Freiheit. Denn diese Leine gibt ihm einerseits genug Freiraum, sich in einem bestimmten Radius um seinen Menschen herum auszuleben (weiter als 20 Meter sollte sich ohnehin kein Hund auf dem Spaziergang von seinem Menschen entfernen), aber andererseits gibt die Leine den Wildtieren der Gegend wieder Sicherheit, was ja mindestens ebenso wichtig ist wie das Wohlbefinden unseres Hundes.

Ganz und gar nicht lustig sind die Empfehlungen mancher Hundetrainer, der Hund solle grundsätzlich auf jedem Spaziergang neben oder hinter seinem Menschen laufen und sich diesem die ganze Zeit anpassen. Schnüffeln und Markieren sind natürlich nicht erlaubt, denn der Hund hat sich nach seinem Menschen zu richten, der das auch nicht tut.

Meine ehrliche Meinung dazu: Solche Spaziergänge kann man sich dann auch komplett sparen, denn der Hund hat davon gar nichts. Das ist, als ginge man mit einem Kind in einen reich gefüllten Spielzeugwarenladen, aber es darf nichts anfassen und bekommt auch kein Spielzeug geschenkt. Es darf nur von weitem all die schönen Dinge angucken, die es nicht haben darf. Was baut man durch so ein Verhalten auf? Doch nichts als Frustration und Enttäuschung.

Für einen Hund ist auf dem Spaziergang nicht die Bewegung das Wichtigste, sondern die Wahrnehmung der Gerüche und Geräusche. Derselbe Weg, den er morgens schon gelaufen ist, kann am Nachmittag ganz anders riechen. Er ist immer wieder aufs Neue interessant, denn in der Zwischenzeit sind vielleicht Katzen, Wildtiere oder der Rüde von gegenüber dort entlang gelaufen und haben ihre Spuren hinterlassen.

Ein gesunder, angstfreier, lebenslustiger Hund ist neugierig. Er will seine Umgebung erkunden und dafür läuft er kreuz und quer über den Weg, er läuft vorweg, bleibt stehen, fällt zurück, holt uns wieder ein usw. Er ist in Bewegung und das nicht linear, sondern oftmals eben schlicht „immer der Nase nach“. Das ist Normalverhalten. Kein Hund ist dominant, weil er vorweglaufen will, er ist einfach neugierig und will als Erster wissen, was dieser spannende Spaziergang zu bieten hat.

Diese Freiheit sollten wir ihm auch geben. Aber eben nur solange er die Freiheit Anderer nicht einengt. Das heißt: Kommt uns ein uns fremder angeleinter Hund entgegen, nehmen wir sofort unseren Hund an die Leine. Das gehört sich einfach so, und da gibt es auch nichts zu diskutieren. Wird diese einfache und klare Höflichkeitsregel endlich mal von allen berücksichtigt, dann würden sich zahlreiche angespannte Gespräche unter Hundehaltern nach dem Motto: „Meiner tut nichts!“ – „Schön für Sie, meiner aber schon …!“ erübrigen.

Ebenso nehmen wir unseren Hund – insofern das gut klappt, andernfalls hat man ja auch noch eine Leine – zumindest bei Fuß, wenn uns Jogger, Radfahrer oder andere Freizeitsportler entgegenkommen.

Wenn unser Hund jagt, müssen wir aufpassen, dass er keine anderen Tiere belästigt oder gar hetzt. Das gehört zu unserer Aufsichtspflicht, die wir übernommen haben. Und besonders schwer ist das auch nicht, denn dafür wurden schließlich Hundeleinen in allen möglichen Längen für sämtliche Gelegenheiten erfunden. Trägt der Hund ein gut sitzendes Geschirr, dann gewöhnt er sich sehr schnell an die lange Leine und nimmt diese überhaupt nicht mehr als störend wahr, und entspannte Spaziergänge mit vielen Schnüffeleinheiten sind wieder gesichert. Parallel dazu kann man ja trotzdem ein positiv aufgebautes Antijagdtraining beginnen, um den Hund vielleicht irgendwann einmal ganz frei laufen lassen zu können.

Freiheit ohne Rücksicht auf Verluste ist keine Freiheit, sondern Egoismus. Und oft schadet man dadurch sogar dem Hund, denn so mancher Hund, der von seinem Menschen zu viel Freiheit bekam, wurde am Ende durch Maulkorb- und Leinenzwang bestraft, weil er einen ängstlichen Menschen bedrängt und angesprungen hatte. Rücksichtnahme auf Andere ist wichtig, und man darf natürlich nicht vom Hund erwarten, dass er selbst auf die Idee kommt, sich vorbildlich zu verhalten. Die Verantwortung für das Verhalten unserer Hunde liegt einzig und allein bei uns.

(Inga Jung, September 2015)

Aktion „Gelber Hund“

 

Seit etwa drei Jahren gibt es sie nun schon, die Aktion „Gelber Hund“. Die Idee dahinter ist, einen Hund, der mehr Abstand zu anderen Hunden braucht, durch eine gelbe Schleife oder ein gelbes Halstuch zu kennzeichnen, damit schon von weitem erkennbar ist, dass dieser Hund gerade keinen direkten Hundekontakt möchte.

Die Gründe können vielfältig sein: zum Beispiel ist der Hund durch eine Operation, eine Krankheit oder das Alter geschwächt oder hat Schmerzen und möchte deshalb nicht von anderen Hunden angerempelt werden – auch nicht auf freundlich gemeinte Weise.

Es könnte auch eine läufige Hündin sein oder ein Hund, der insgesamt eine große Individualdistanz hat und direkten Kontakt zu anderen Hunden nicht besonders schätzt. Oder der Hund hat schlechte Erfahrungen gemacht oder ist ungenügend sozialisiert und reagiert daher aus Unsicherheit aggressiv auf andere Hunde. Oder er hat eine ansteckende Krankheit.

Es ist ja eigentlich auch völlig egal, aus welchem Grund ein Hund Distanz zu anderen, ihm fremden Hunden braucht. Niemand sollte sich deswegen rechtfertigen müssen. Es ist eben so wie es ist. Die gelbe Farbe soll signalisieren, dass dem so ist und dass entgegenkommende Hunde bitte angeleint und auf Abstand gehalten werden sollten.

Ich finde diese Idee ganz wunderbar. Nur bezweifle ich, dass sie viel nützen wird. Denn die Realität sieht doch leider so aus:

Ich bin mit meiner Hündin, die ganz und gar keinen Wert auf direkten Kontakt zu fremden Artgenossen legt, unterwegs und mir kommt eine Hundehalterin mit ihrem freilaufenden Hund entgegen. Ich nehme meine Hündin an die Leine. Eigentlich sollte das allein vollkommen ausreichen, damit die mir entgegenkommende Person ihren Hund ebenfalls ohne große Umschweife anleint. Aber nein, keine Reaktion.

Ich suche nach einer Einbuchtung oder einem kleinen Trampelpfad, auf den ich ausweichen könnte, um nicht direkt auf den anderen Hund zuzusteuern, denn das würde meine Hündin bereits als Provokation deuten. Da ist leider nichts zu sehen, also drücke ich mich so weit es geht mit meinem Hund ins Gebüsch, lasse ihn sich setzen und schirme ihn mit meinen Beinen ab, um ihm Distanz zu dem hoffentlich gleich anstandslos vorbeigehenden Hund zu schaffen. Die mir entgegenkommende Hundebesitzerin zeigt immer noch null Reaktion.

Da sie nun schon recht nah ist, rufe ich ihr höflich entgegen: „Nehmen Sie bitte Ihren Hund an die Leine?“ Natürlich kommt prompt die patzige Antwort: „Wieso denn?“

Naja, inzwischen ist es eh zu spät. Der Hund hat uns entdeckt und kommt direkt auf mich und meine Hündin zu gerannt. Die Frau versucht halbherzig, ihn zu rufen, aber jetzt hört er natürlich nicht mehr. Er bleibt einen Zentimeter vor der Nase meiner Hündin stehen. Und meine Hündin rastet selbstverständlich völlig aus, angesichts dieser dreist direkten, viel zu schnellen, viel zu nahen und überhaupt in ihren Augen aggressiven Annäherung.

Ich weiß nicht, wie oft uns exakt diese Begegnung schon widerfahren ist. Ich kann es gar nicht mehr zählen, es war schon viel zu oft. Und jedes Mal ist ein Mal zu viel, denn es ist einfach nur unnötig und frustrierend für mich und meine Hündin, und dem anderen Hund tut der Schreck auch nicht wirklich gut.

Ich fürchte, wenn die Menschen schon auf die geballte Ladung körpersprachlicher Zeichen und eindeutiger sprachlicher Hinweise absolut keine Reaktion zeigen, dann wird so eine gelbe Schleife auch nicht viel nützen. Wenn man Pech hat, kommen sie dann erst recht mitsamt ihrer freilaufenden Hunde dicht heran, um einen zu fragen, warum der Hund denn so hübsch dekoriert ist. „Hat der Geburtstag? Komm, Bello, wir gehen da mal hallo sagen.“

Nein, meine Hündin möchte Bello nicht „hallo“ sagen. Meine Hündin möchte Bello viel eher „verschwinde aus meinem Revier und lass dich hier nie wieder blicken“ sagen.

Nicht jeder Hund ist so gesellig wie Bello. Nicht jeder Hund legt viel Wert auf Hundebekanntschaften. Manche Hunde sind froh, wenn andere sie einfach in Ruhe lassen. Aber es gibt leider Menschen, die das nie begreifen werden, und gegen die wird auch eine gelbe Schleife nichts ausrichten können. Ausprobieren kann das aber natürlich jeder gern. Vielleicht spricht es sich eines Tages wirklich so weit herum, dass auch Bellos Frauchen es begreift.

(Inga Jung, August 2015)

 

Vermenschlichung versus Verständnis

 

Immer wieder heißt es, man darf einen Hund nicht vermenschlichen. Das ist auch absolut richtig. Ein Hund hat eine andere Art zu denken als wir Menschen, er nimmt die Welt anders wahr als wir und er setzt andere Prioritäten als wir. Mit ihm zu sprechen wie mit einem Menschen und von ihm menschliche Denkweisen und Entscheidungen zu verlangen, würde ihn überfordern. Ebenso wie es uns überfordern würde, wenn unser Hund von uns verlangen würde, eine Katze zu riechen, die 500 Meter von uns entfernt im Gebüsch sitzt. Wir haben im Gegensatz zu unserem Hund einfach nicht die physiologische Ausstattung, um so eine Leistung zu erbringen, und andersherum ist es ebenso.

Es gibt aber durchaus Bereiche, in denen ich Hunde gern mit Menschen vergleiche und das auch absolut legitim finde. Das sind die Bereiche, in denen wir uns stark ähneln. Zum Beispiel in Bezug auf Gefühle, die Hunde ebenso empfinden wie wir. Und auch in Bezug auf die Familienstruktur, in der sie leben. Wenn ich solche Vergleiche anstelle, gibt es immer irgendjemanden, der der Ansicht ist, das wäre Vermenschlichung, und vielleicht ist das zu einem gewissen Teil auch richtig. Allerdings stütze ich mich dabei einerseits auf eindeutige Ergebnisse neuerer Forschung, und andererseits bin ich der Ansicht, dass Menschen ihren Hund viel besser verstehen, wenn sie sich in ihn hineinversetzen und seine Gefühlswelt nachempfinden können. Immer nur zu behaupten, Hunde seien ganz anders als wir Menschen, ist dabei nicht wirklich hilfreich.

Mir ist es ein wichtiges Anliegen, den Hundebesitzern zu erklären, wie ihr Hund sich das Zusammenleben mit ihnen wünscht, denn ich sehe seit vielen Jahren eine erschreckende Tendenz vieler Hundetrainer, den Hund zu einem Untergebenen des Menschen zu degradieren, einem Soldaten ähnlich, der immer nur dann handeln darf, wenn der Mensch es ihm befiehlt. Dann aber hat er sofort zu gehorchen und den Befehl auszuführen. Kommt der Hund in dem Moment – völlig zu Recht – auf die Idee zu protestieren, wird er als „dominant“, „stur“ oder gar „gefährlich“ abgestempelt und mit Gewalt dazu gebracht zu tun, was der Mensch will. In meinen Augen ist diese Art, mit einem Hund umzugehen, in höchstem Maße tierschutzrelevant. Kein Hund wurde dazu geboren, uns Menschen zu gehorchen, wann immer wir das wollen. Jeder Hund hat das Recht, auch mal seine Ruhe einzufordern und seinen eigenen Interessen nachzugehen, ohne deswegen gleich Angst vor seinem Menschen haben zu müssen.

Um zu visualisieren, wie unglücklich sich so mancher Hund im Zusammenleben mit seinem Menschen fühlt, vergleiche ich die Beziehung zwischen Mensch und Hund gerne mit der zwischen einem Eltern und Kind.

Ja, ich weiß, ein Aufschrei geht durch die Reihen: Vermenschlichung! – Nein, ich glaube, dieser Vergleich kommt dem Blickwinkel, aus dem unsere Hunde das Leben mit uns betrachten, sogar sehr nahe. Denn nehmen wir mal ein paar Beispiele:

Stellt euch vor, ihr seid mit einem Kleinkind unterwegs und steht an einer vielbefahrenen Kreuzung. Was tut ihr? Richtig, ihr nehmt das Kind an die Hand. Genau wie ihr hier auch einen Hund an die Leine nehmen würdet. Nicht, um ihn seiner Freiheit zu berauben, sondern um ihn zu beschützen. Denn genau wie das Kleinkind ist der Hund nicht in der Lage, die Gefahren, die ihm an diesem Ort drohen könnten, richtig einzuschätzen. Es ist unsere Pflicht als Hundebesitzer, den Hund zu schützen, genau wie wir es als Eltern mit unserem Kind tun würden.

Wenn es aber gefahrlos möglich ist, dem Kind Freiheiten zu lassen, es Erfahrungen machen zu lassen, seine Neugier auszuleben und zu spielen, dann tun wir das und freuen uns darüber, dass es Spaß hat, neue Dinge erfährt und dabei lernt.

Genau das ist es, was sich auch unsere Hunde wünschen. Natürlich müssen wir immer aufpassen, dass sie nicht sich selbst oder andere in Gefahr bringen oder jemanden belästigen, wie bei unseren Kindern auch, aber innerhalb dieses Rahmens benötigen auch unsere Hunde individuelle Freiheiten, um ihre Persönlichkeit zu entwickeln und sich wohlzufühlen. Neue Erfahrungen zu machen und Herausforderungen zu meistern stärkt das Selbstvertrauen und trägt dazu bei, dass der Hund ein ausgeglichenes, gelassenes Wesen entwickeln kann.

Und wenn wir dann wieder zu Hause sind, benötigt er viel Schlaf und lange Ruhephasen, um diese Erlebnisse zu verarbeiten, auch das ist ein enorm wichtiger Faktor, und auch darin sind sich Hunde und Kinder gar nicht mal so unähnlich.

Wenn ihr mit einem Kind unterwegs seid, dann seid ihr die Entscheidungsträger. Ihr seid aufmerksam und vorausschauend, um Gefahren wie z.B. ein sich annäherndes Auto rechtzeitig zu erkennen und das Kind in Sicherheit zu bringen. Ihr passt auf, dass das Kind sich nicht in Risiken stürzt, die es nicht einschätzen kann, und wenn es Streit mit anderen Kindern gibt, dann schlichtet ihr diesen. Seid ihr deshalb der Chef des Kindes? Der dominante Alphamensch? Der Rudelführer? Klingt absurd, oder? Aber genau das behaupten manche Hundetrainer, die diesen überholten Theorien anhängen, in Bezug auf exakt dieselben Situationen, nur weil wir das Wort „Kind“ durch „Hund“ ersetzen. Auf einmal sind wir keine besorgten Eltern mehr, sondern machthungrige Alphas. Und sofort wird aus einem liebevollen Blick ein hartes Starren. Worte können Gefühle manipulieren, daher sind Worte immens wichtig. Und daher rede ich lieber von einer Eltern-Kind-Beziehung, als von einem „Leithund“, auch wenn vielleicht ursprünglich mal von dem Verhaltensforscher, der dieses Wort in die Welt gesetzt hat, exakt dasselbe damit gemeint war.

Was Hunde überhaupt nicht verstehen, ist unsere menschliche Neigung zu Gewalt und Aggressionen im Zusammenleben mit Sozialpartnern. Hunde sind innerhalb der Familie unglaublich friedlich und aggressionslos. Sie ertragen oftmals ohne mit der Wimper zu zucken Behandlungen, die einen Menschen schon längst zu unkontrollierten Wutausbrüchen getrieben hätten. Das alleine ist der Grund dafür, weshalb es trotz der kursierenden Dominanztheorien, in denen Unterdrückung und offensive Gewalt gegenüber Hunden an der Tagesordnung sind, immer noch relativ wenige Beißvorfälle gibt. Hunde sind uns Menschen gegenüber viel zu tolerant. Das ist aber noch lange kein Grund, diese unendliche Geduld zu missbrauchen. Im Gegenteil, wir sollten uns ein Beispiel an unseren Hunden nehmen und sie ebenso freundlich und rücksichtsvoll behandeln wie sie uns. Das würde für zahlreiche Hunde das Leben sehr viel schöner machen.

(Inga Jung, Juni 2015)

Hundetraining als aktiver Tierschutz

 

Da ich nun die Arbeit an meinem dritten Buch beginne, habe ich mich entschlossen, bis voraussichtlich Mai 2016 eine Pause im Einzeltraining einzulegen. Neukunden nehme ich nur noch auf, wenn sie von meinen Tierärzten in Kiel an mich überwiesen wurden. Folgetermine für Kunden, bei denen ich bereits war, sind natürlich weiterhin möglich.

Die Pause ist letztendlich nicht nur nötig, damit ich Zeit zum Schreiben habe, sondern auch weil ich das Gefühl habe, dass meine inzwischen elfjährige Hündin nun im Alter die Anwesenheit ihrer Menschen mehr denn je braucht. Und natürlich möchte ich für sie da sein, so wie auch sie ihr ganzes Leben lang für mich da war.

Es fällt mir aber auch schwer, denn ich habe die Hundeverhaltensberatung immer auch als aktive Tierschutzarbeit erlebt. Unzählige Hundebesitzer kamen zu mir, nachdem sie an ihrem Hund zum Teil haarsträubende Dinge ausprobiert hatten, die sie zuvor im Fernsehen gesehen hatten. Sie suchten sich erst Rat, nachdem diese „Methoden“ das Problem oft noch verschlimmert hatten und ihr Hund das Vertrauen in seine Menschen fast komplett verloren hatte.

Ich möchte euch daher alle auch an dieser Stelle noch einmal dazu aufrufen, kritisch zu sein und auf euer Bauchgefühl zu hören. Nur weil jemand im Fernsehen auftritt, heißt das noch lange nicht, dass er weiß, was er tut. Das Fernsehen ist auf Einschaltquoten und auf den größtmöglichen Gewinn aus, wie alle wirtschaftlich denkenden Unternehmen. Und Action bringt einfach mehr Einschaltquoten als ein vernünftiges, langfristig angelegtes Training. Daher werden auch diese Hundeerziehungssendungen in erster Linie von Leuten gestaltet, die schnelle Bildwechsel, eine packende Story, emotionale Musik und eine deutlich erkennbare Veränderung wollen, welche in das Format von 30 Minuten passt. Sie stellen nicht das Leben dar, sie erzählen eine Geschichte, das ist Fiktion. Ein Hund, der leise grummelt, weil ihm etwas unangenehm ist, ist nicht spannend genug. Da wird er noch ein bisschen mehr bedrängt und provoziert, bis er endlich die Zähne fletscht. Das ist Action, das bringt Einschaltquoten. Mit Hundetraining hat das nichts zu tun. Bitte bedenkt das immer, wenn ihr solche Sendungen seht: Das ist nicht die Realität, das ist die Welt der Medien.

Eigentlich sollte jeder Mensch sich selbst denken können, dass viele der Dinge, die in diesen Sendungen gezeigt werden, schädlich und langfristig nicht wirksam sein können. Nehmen wir mal eine alltägliche Hundebegegnungssituation und übertragen sie in unsere menschliche Welt:

Stellt euch vor, ihr seid mit einem Kumpel zu zweit in einer euch unbekannten Gegend unterwegs und merkt auf einmal, dass euch vier zwielichtige Gestalten folgen. Ihr geht schneller und versucht ihnen auszuweichen, aber sie holen auf. Plötzlich verengt sich der Weg und ihr könnt nicht mehr weg, ihr seid in die Ecke gedrängt. Die vier Gestalten umkreisen euch bedrohlich. Die Situation fühlt sich gefährlich an, ihr wisst, dass ihr euch eventuell wehren müsst. Also macht ihr euch groß und versucht, die vier durch Stärke zu beeindrucken, damit sie euch in Ruhe lassen. Euer Kumpel, der mit euch unterwegs ist, hat bisher noch gar nichts gemacht. In dieser Situation, in der er euch beistehen sollte, greift er aber auf einmal zur Wasserflasche und spritzt euch einen ordentlichen Schwall Wasser ins Gesicht.

Was haltet ihr in diesem Moment wohl von diesem Menschen? Richtig, ihr denkt euch: Was für ein Arschloch. Nicht nur, dass er mir nicht hilft, sondern er fällt mir auch noch in den Rücken.

Exakt so empfindet euer Hund es, wenn er versucht, sich durch aggressives Verhalten andere Hunde vom Leib zu halten, und ihr ihn dafür auch noch mit der Wasserflasche anspritzt, weil Martin Rütter das im Fernsehen so gezeigt hat.

Sicher wird euer Hund sein Verhalten beenden, einerseits vor Schreck und andererseits weil er sich als völlig chancenlos sieht, wenn ihr ihm auch noch die Unterstützung entzieht. Wie soll er denn alleine gegen eine solche Übermacht ankommen?

Egal, ob der Hund nun in Zukunft das Pöbeln einstellt, weil er sich alleine einfach unterlegen fühlt, und sich in sein Schicksal fügt, oder ob er der Typ ist, der dann umso heftiger loslegt, weil er ohne Unterstützung durch seinen Menschen nur durch besonders starke Aggressionen seine Ruhe zu erlangen glaubt – eines erreicht ihr durch solche Maßnahmen auf jeden Fall: einen enormen Vertrauensverlust. Euer Hund weiß nun, dass er sich auf euch nicht verlassen kann. Ist es wirklich das, was ihr erreichen wolltet? Ist das euer Ziel?

Dabei ist die Wasserspritzerei noch einer der harmloseren Strafreize, die im Fernsehen vermittelt werden, auch wenn sie einen sensiblen Hund durchaus traumatisieren kann. Die körpersprachliche Einschüchterung des Hundes durch massives körperliches Bedrängen und Bedrohen, wie es der als „Hundeflüsterer“ bekannte Promi regelmäßig praktiziert, ebenso wie die von ihm empfohlene Strangulation des Hundes, die Tritte und Schläge, die er als Erziehungswundermittel verkauft, weil er das Leben mit einem Hund als Machtkampf missversteht, sind noch weitaus tierschutzwidriger. Und all das wird ohne nachzudenken auch hierzulande von zahlreichen Hundebesitzern nachgemacht.

Daher wiederhole ich meine Bitte: Seid kritisch und glaubt nicht alles, was euch irgendwelche Leute im Fernsehen oder im Internet weismachen wollen. Unsere Hunde sind Familienmitglieder, sie wollen keine Machtkämpfe mit uns austragen, sie wollen harmonisch mit uns zusammenleben. Sie sind sehr individuelle Persönlichkeiten und meist sensibler als man auf den ersten Blick glaubt, und sie möchten keinen Ärger mit uns. Geben wir ihnen die Chance, sich verstanden zu fühlen und sich so zu entfalten, dass sie sich uns anvertrauen können, damit Konflikte gar nicht erst notwendig werden.

(Inga Jung, Mai 2015)

„Lass den doch kastrieren, dann wird er ruhiger“

 

Das Thema Kastration beim Hund wird fast genauso emotional und heftig diskutiert wie die Themen Ernährung und Erziehung. Daher möchte ich dieses heute auch einmal aufgreifen und zeigen, wo hier die Grenzen zwischen Wahrheit und Legende liegen.

Es ist unzweifelhaft, dass Hormone unser aller Verhalten maßgeblich beeinflussen. Jeder hat das bereits an sich selbst und anderen erlebt, und selbstverständlich hängt auch das Verhalten anderer Säugetiere in hohem Maße mit dem Einfluss von Hormonen zusammen.

Daher ist es nicht verwunderlich, dass eine Kastration Verhalten verändern kann. Die früher viel gerühmten positiven Veränderungen, im Sinne von „nach der Kastration wird ein Hund grundsätzlich ruhiger“ sucht man allerdings oft vergeblich, denn – wie könnte es anders sein bei so hoch entwickelten Lebewesen – auch hier funktioniert der Hundekörper nicht wie eine Maschine, bei der man eine lockere Schraube festdreht, und alles läuft wieder. Die biochemischen Prozesse im Körper und die Verhaltensänderungen, die durch eine Kastration folgen können, sind weit komplizierter. Sie sind abhängig von Alter, Geschlecht, Charakter, individueller Entwicklung, seelischer Reife und vielem mehr.

Insbesondere während des Erwachsenwerdens, der sogenannten Pubertät, toben sich im Körper eines jungen Hundes die Hormone manchmal regelrecht aus. Es kommt zu Stimmungsschwankungen, peinlichem Herumprollen und größenwahnsinniger Selbstüberschätzung, die von Phasen extremer Unsicherheit gefolgt sein können. Na, erkennt ihr euch selbst als Teenager oder eure pubertierenden Kinder eventuell wieder? Ja, so waren wir alle, so sind Heranwachsende nun einmal, und auch unsere Hunde stellen hier keine Ausnahme dar.

Leider kommt bereits in diesem zarten Alter beim Anblick so eines pubertierenden und von Hormonschwankungen geplagten Junghundes aus allen Ecken der Rat: „Lass den doch kastrieren, dann wird er ruhiger und prollt nicht mehr die anderen Rüden an.“ Kommen die verunsicherten Hundebesitzer diesem Rat nach, hat das für den Hund oft fatale Folgen, denn wir müssen eines wissen: Die Sexualhormone, die durch eine Kastration reduziert werden, wirken sich nicht nur auf das Sexualverhalten aus, sondern sie beeinflussen auch andere Stoffwechselvorgänge und Organe. Sie sind für die Reifung des Gehirns ebenso wichtig wie für die Ausbildung einer vernünftigen Knochensubstanz. Insbesondere ein Hund im Wachstum braucht die Sexualhormone, um körperlich und geistig zu reifen.

Viele Eltern leiden enorm unter den emotionalen Ausbrüchen ihrer pubertierenden Kinder. Dennoch käme hier niemand auf die Idee zu sagen: „Lass den Lukas doch kastrieren, dann wird er viel ruhiger.“ Es ist völlig absurd zu denken, dass ausgerechnet diese Maßnahme dem Jungen helfen wird, in seinem Leben besser zurechtzukommen. Im Gegenteil, es würde für ihn alles noch viel schwieriger machen. Genauso ist es auch bei unseren Hunden. Früh kastrierte Rüden leiden oft unter sozialer Unsicherheit, weil ihre emotionale und geistige Reife verzögert wurde und sie aufgrund ihres Kastratengeruchs von anderen Hunden nicht für voll genommen werden.

Jetzt kommt wieder der Mensch und sagt: „Ist doch prima. Mir ist es lieber, mein Hund ist ein ewiges Mobbingopfer, als dass er derjenige ist, der die anderen Hunde ständig provoziert.“

Ja, aus menschlicher Sicht mag das ganz prima sein. Den Hund fragt mal wieder keiner.

Bei Hündinnen wirkt sich die Kastration oft kaum auf das Verhalten aus, was daran liegt, dass die Hündin durch ihren Läufigkeitszyklus immer wieder auch Phasen geringer hormoneller Aktivität durchlebt. Eine kastrierte Hündin verhält sich meist in etwa so wie sie sich vorher in der Mitte zwischen zwei Läufigkeiten verhalten hat.

Manche Hündinnen haben etwas zu viel Testosteron abbekommen. Das kann z.B. passieren, wenn die Hündin im Mutterleib zwischen zwei Brüdern lag. Diese Hündinnen heben oft das Bein wie Rüden und pöbeln sowohl Rüden als auch Hündinnen gerne an. Ausnahmen bestätigen natürlich wie immer die Regel. Hier sollte man sich gut überlegen, ob man diese Hündin kastrieren lassen und dadurch die weiblichen Hormone, die sie hat, noch stärker dämpfen will. Der Schuss könnte nach hinten losgehen.

Es gibt allgemein betrachtet keine besonderen positiven Auswirkungen, die die Kastration einer Hündin auf deren Verhalten hat, es sei denn, sie zeigt sich während der Phase der stärkeren hormonellen Aktivität, also rund um die Läufigkeit herum, auffallend aggressiv oder unruhig. Hier kann die Kastration helfen. Unumgänglich ist die Kastration natürlich auch, wenn eine Gebärmutterentzündung vorliegt, und auch bei häufig wiederkehrenden Scheinträchtigkeiten und zyklusbedingten Depressionen ist sie eine Überlegung wert. Liegen solche Gründe aber nicht vor, rate ich eher davon ab, denn es ist einfach eine sehr unangenehme und schmerzhafte Operation, die ich meinem Hund nicht grundlos zumuten würde.

Zurück zum Rüden. Nicht nur bei früh kastrierten Rüden können sich Unsicherheiten entwickeln. Viele Rüden brauchen Testosteron, um Selbstbewusstsein und Souveränität zu erlangen. Bitte macht nicht den Fehler, den die Uralt-Hundetrainer machen, wenn sie sagen: „Ich will keinen selbstbewussten Rüden, der ist dann bloß dominant und aggressiv.“ Das ist Quatsch. Ein selbstbewusster Hund hat es gar nicht nötig, aggressiv zu sein. Und dass Dominanz keine Charaktereigenschaft ist, habe ich auch schon sehr oft beschrieben.

Die Ursache von Aggressionen unter Hunden ist im Gegenteil in den allermeisten Fällen soziale oder situative Unsicherheit. Und genau das ist die häufigste Nebenwirkung einer Kastration beim Rüden. Selbst erwachsene Rüden entwickeln oft nach einer Kastration Unsicherheiten und fangen auf einmal an, andere Hunde anzupöbeln.

Wann aber macht die Kastration eines Rüden Sinn? Von medizinischen Gründen abgesehen kann die Kastration einem Rüden helfen, der in einer Gegend mit sehr vielen Hündinnen lebt, die alle Nase lang läufig werden. Denn es kommt durchaus vor, dass der ständige Geruch läufiger Hündinnen, an die der Rüde nicht herankommt, für ihn starken Stress bedeutet. Dauerhafter Stress wiederum macht krank. Hier kann eine Kastration hilfreich sein, um dem Hund wieder mehr Lebensqualität zu geben. Das ist aber eine individuelle Entscheidung, denn es gibt durchaus Rüden, die ganz genau wissen, wann eine Hündin wirklich paarungsbereit ist, und die dann auch nur in diesen drei, vier Tagen überhaupt Interesse an der Hündin zeigen. Die haben dementsprechend auch weniger Stress. Und man sollte mit so einer Diagnose unbedingt warten, bis der Rüde erwachsen ist, denn der Testosteronüberschuss eines Junghundes kann sich auch von selbst wieder einpendeln.

Wenn ein unkastrierter Rüde und eine unkastrierte Hündin zusammenleben, bietet es sich an, einen von beiden kastrieren zu lassen, um ungewolltem Nachwuchs vorzubeugen. Die Tierheime sind schließlich schon voll genug.

Das war es nun aber auch schon mit den Gründen. Markierverhalten, Territorialverhalten, gelegentliches Konkurrenzverhalten gegenüber anderen Rüden, der Hass auf einen bestimmten Erzfeind oder auch die lästigen Läufigkeiten der Hündin, oder vielleicht sogar nur „weil das in unserer Familie schon immer gemacht wurde“ oder „weil mein Tierarzt das empfohlen hat, ich weiß auch nicht, wieso“ – all die Gründe, die manche Menschen dazu bewegen, ihre Hunde kastrieren zu lassen, sind in meinen Augen sehr bedenklich.

Es ist Normalverhalten eines Hundes zu markieren, gegenüber anderen Rüden ein bisschen herumzuprollen und um eine Hündin zu streiten, sein Territorium zu verteidigen oder auch mal seine schlechte Laune rauszulassen. So machen das Männer halt, und Frauen manchmal auch; deswegen lassen wir sie doch nicht alle kastrieren, wo kämen wir denn da hin?

Und wenn wir zu faul sind, unsere Hündin zweimal im Jahr ein paar Wochen lang an der Leine zu führen und zu beaufsichtigen, dann sind wir vielleicht auch insgesamt nicht besonders gut als Hundehalter geeignet. Ein Hund bedeutet nun einmal nicht nur Freude, sondern auch Arbeit und Verantwortung. Das gehört dazu, und das kann man nicht wegoperieren lassen.

Ich bin ganz und gar kein absoluter Kastrationsgegner. Es gibt gute Gründe für eine Kastration. Es gibt aber auch gute Gründe, die dagegen sprechen, und man sollte sich diesen Eingriff immer gut überlegen. Denn mit der Kastration wird dem Hund nicht nur ein Organ genommen, sondern es werden hormonelle Vorgänge verändert, die sein Verhalten beeinflussen und seine Identität und sein Wesen ändern können. Und das leider nicht immer zu seinem Vorteil.

(Inga Jung, Februar 2015)

Die Angst vor der Alleinherrschaft des Yorkshire Terriers

 

Wir leben in einer aufgeklärten Welt. In einer Welt, in der Informationen frei zugänglich sind und jeder Mensch, der den Willen dazu hat, sich zu allen Themen Wissen aneignen kann. Umso mehr frage ich mich, wie es möglich ist, dass sich längst überholte Theorien in Bezug auf das Verhalten von Hunden und den Umgang mit ihnen so nachhaltig in den Köpfen festsetzen und da einfach nicht herauszukriegen sind.

Insbesondere wenn es um Dominanz, Rangordnung und Hausregeln geht, gleicht es manchmal einem Kampf gegen Windmühlen, den Menschen bewusst zu machen, dass die früheren Vorstellungen von dem machthungrigen Hund, der nur danach trachtet, die Herrschaft über den Haushalt zu übernehmen, schlichtweg Unsinn sind. Sie sind veraltet, sie wurden inzwischen sogar eindeutig wissenschaftlich widerlegt. Es wurde nachgewiesen, dass sich zwischen Mensch und Hund überhaupt keine Rangordnung in diesem Sinne etabliert und dass Hunde das Zusammenleben mit uns Menschen viel eher aus der Rolle eines jugendlichen Familienmitgliedes heraus betrachten. Wie kommt es nun, dass die Überzeugung, sich gegen den Hund jeden Tag in einem Machtkampf behaupten zu müssen, in den Köpfen der Menschen so festsitzt?

Es gibt nach wie vor Hundetrainer, die diese veralteten Theorien verbreiten, und diese Hundetrainer sind erstaunlich populär. Oberflächlich betrachtet mag es völlig unverständlich sein, warum diese Hundetrainer, die zum Teil einen regelrechten „Guru“-Status innehaben, so erfolgreich sind und ihr gefährliches Halbwissen so ungeniert verbreiten können.

Ich glaube aber, letzten Endes ist die Antwort auf diese Frage recht einfach, denn sie liegt in der Psychologie des Menschen begründet.

Wie bekommt man Menschen dazu, einem zu folgen?

1) Man macht ihnen Angst: „Wenn du deinen Hund nicht so behandelst wie ich es dir sage, dann wird das Ganze in einer Katastrophe enden. Er wird die Herrschaft über dich und deine Familie übernehmen und euch die nächsten zehn Jahre terrorisieren.“

2) Man redet ihnen Schuldgefühle ein: „Du hast ein Problem mit deinem Hund? Selbst schuld. Das ist nur passiert, weil du dich nicht an meine Trainingsphilosophie gehalten hast.“

3) Man bietet ihnen einfache Lösungen: „Tue einfach dies, das und jenes, und alle deine Probleme sind gelöst.“

Das funktioniert, so ticken die Menschen, darauf springen sie an.

Wenn man ihnen hingegen sagt, dass ihr Hund ein hoch intelligentes und hoch soziales Lebewesen ist, das nicht nach einem einfachen Prinzip funktioniert wie eine Maschine, dann sind die Menschen damit überfordert. Denn das bedeutet ja, dass Methoden nach Schema F von vornherein zum Scheitern verurteilt sind. Das bedeutet, dass man lernen muss, mit seinem Hund zu kommunizieren, und dass man ihn mit Respekt behandeln muss. Das klingt alles nach verdammt viel Arbeit. Da lebe ich lieber in Angst und Schrecken vor der möglichen Alleinherrschaft des Yorkshire Terriers, denn dank meines Hundetrainers habe ich ja die richtigen Patentrezepte dagegen.

Dass Menschen so einfach gestrickt und so leicht zu manipulieren sind, wird in diesem Fall leider vielen Hunden zum Verhängnis. Denn auf der Basis dieser falschen Vorstellungen werden sie ihr Leben lang von ihren Menschen missverstanden und leider oft sogar – im Glauben, das einzig Richtige zu tun – misshandelt.

Ich kann nur jeden Hundebesitzer dazu ermahnen, kritisch zu sein und Empfehlungen, die er bekommt, von wem auch immer, zu hinterfragen. Vieles wird klar, wenn man sich seinen eigenen Hund und dessen Verhalten einfach mal unvoreingenommen anschaut und sich fragt:

„Gleicht das Verhalten dieses Hundes dem eines machthungrigen Diktators?“

„Oder vielleicht doch eher dem eines Jugendlichen, der vielleicht mal über die Stränge schlägt und sein eigenes Ding macht, sich aber in Notsituationen ganz schnell wieder zu seiner Mama rettet?“

Ich wette, dass mindestens 90 Prozent der Hundebesitzer nach der ehrlichen Beantwortung dieser Fragen doch eher Nummer zwei wählen werden.

Die restlichen zehn Prozent haben vermutlich sehr eigenständige und ernsthafte Hunde wie zum Beispiel Herdenschutzhunde, die in keine dieser beiden Kategorien so recht passen und für die man eine eigene Frage formulieren müsste, zum Beispiel frei nach dem Motto:

„Habe ich das Gefühl, dass mein Hund das Leben als eine einzige Arbeitsaufgabe wahrnimmt?“

Auch diese Hunde sind nicht darauf aus, die Macht über andere zu erlangen, sondern sie erledigen konzentriert ihren Job – oder das, was sie dafür halten – und nehmen diese Aufgabe sehr ernst.

Aber welchen Typ Hund auch immer man vor sich hat, man kommt an einer Tatsache schlicht und einfach nicht vorbei:

Es gibt keine Patentrezepte.

Verständnis des Hundes und seines jeweiligen Charakters, die Beobachtung seines Verhaltens, die Kommunikation mit ihm und der Respekt vor ihm als soziales, denkendes und fühlendes Lebewesen sind unerlässlich für eine vertrauensvolle Partnerschaft zwischen Mensch und Hund.

Wem das zu schwierig ist, der sollte sich überlegen, ob er sich als Hundehalter überhaupt eignet, oder ob er mit einem Stofftier nicht doch besser beraten wäre.

(Inga Jung, Januar 2015)

Hundebegegnungen

 

Häufig habe ich Anfragen von Hundebesitzern, deren Hunde Schwierigkeiten beim Kontakt mit Artgenossen haben. In den meisten Fällen reagieren diese Hunde entweder beim direkten Kontakt oder schon im Vorfeld abwehrend auf andere.

Wenn wir dann zusammen spazieren gehen und ich mir das Verhalten dieser Hunde anschaue, fällt mir auf den Hundeauslaufflächen allerdings häufig eines auf: Viele der dort frei auf uns zukommenden Hunde sind erschreckend distanzlos und haben offenbar nicht gelernt, anderen Hunden auf höfliche Weise zu begegnen. So ist es dann auch nicht verwunderlich, dass der Hund meiner Kunden bereits im Vorfeld abwehrend reagiert und keine Lust auf solche Begegnungen hat.

Hunde, die gerne erst einmal mit ein paar Zentimetern Abstand ihr Gegenüber erschnuppern möchten, empfinden es verständlicherweise als belastend, wenn ihnen jeder Hund, der ihnen entgegenkommt, sofort ins Gesicht springt. Und je kleiner der so überrumpelte Hund ist, desto erschreckender sind solche Erfahrungen für ihn. Da hilft es ihm gar nichts, dass das Gegenüber „nur spielen“ will, denn auch ein spielerisch gemeintes Überrennen eines fremden Hundes ist letzten Endes nichts anderes als eine extrem unhöfliche und distanzlose Begegnung. Ein solches Verhalten gehört sich einfach nicht.

Wie kommt es nun, dass es scheinbar immer mehr Hunde gibt, die nicht in der Lage sind, anderen auf respektvolle Weise zu begegnen? Hängt dies möglicherweise mit dem heutzutage weit verbreiteten Besuch von Welpenspielgruppen zusammen?

Eine Welpenspielgruppe kann eine tolle Sache sein, insofern sie gut geleitet ist. Wer eine Welpenspielgruppe beaufsichtigt, trägt eine riesengroße Verantwortung auf seinen Schultern, denn der Besuch einer schlecht geführten Welpengruppe kann das Sozialverhalten eines Hundes für die gesamte Dauer seines Lebens negativ beeinflussen. Es ist daher unfassbar leichtsinnig, dass Welpengruppen in manchen Hundeschulen und -vereinen ausgerechnet von den unerfahrenen Trainerneulingen, Praktikanten oder Aushilfen ohne Basisausbildung geleitet werden.

In einer Welpenspielgruppe geht es nicht darum, die Hunde einfach nur miteinander spielen zu lassen, sondern es ist wichtig, dass der Trainer das Verhalten der Welpen beobachtet und gegebenenfalls besonders schüchterne Hunde unterstützt und besonders rüpelige Hunde ausbremst. Und auch deren Besitzern zeigt, wie das geht. Einfühlungsvermögen und Erfahrung sind notwendig, um das auf gute und richtige Weise tun zu können. Der Trainer muss sich mit dem Ausdrucksverhalten von Hunden auskennen und ein Gefühl für den richtigen Zeitpunkt zum Eingreifen haben. Passiert dies nicht, dann kommt es oft vor, dass kleine und schüchterne Welpen in solchen Gruppen permanent gemobbt werden und starke Welpen lernen, dass es Spaß macht, Schwächere unterzubuttern und über den Haufen zu rennen.

Hinzu kommt noch, dass die Welpen in diesen Spielgruppen nicht lernen, wie man sich vorsichtig einem Hund nähert, der gar nicht in Spielstimmung ist. Denn in der Gruppe kommen solche Begegnungen nicht vor, dort heißt es: Leinen los und spielen. Das so wichtige Begegnungsritual, das auf dem Spaziergang dem Spiel vorausgeht, fällt hier komplett aus. Kein Wunder also, dass die jungen Hunde glauben, es liefe auch im wirklichen Leben immer genauso ab und sie könnten auf jeden Hund, der ihnen begegnet, in Spiellaune zustürmen. Denn so ist es ja in der Welpengruppe auch immer gewesen.

Es ist daher sehr wichtig, dass man außerhalb dieser Spielgruppen seinen Welpen auch immer mal wieder in alltäglichen Situationen mit freundlichen erwachsenen Hunden zusammenkommen lässt, damit er lernt, dass er zu Beginn einer Begegnung vorsichtig sein muss und dass nicht jede Hundebegegnung auf ein Spiel hinausläuft. Dadurch schützt man nicht nur andere Hunde, die vor dem eigenen heranstürmenden Hund Angst bekommen könnten, sondern man hilft auch dem eigenen Hund, sich als Heranwachsender besser an neue Situationen und verschiedene Hunde anpassen zu können. Er wird dadurch in seinem späteren Leben viel mehr Möglichkeiten haben, durch sein eigenes Verhalten Konflikte mit anderen Hunden zu vermeiden und so immer souveräner und gelassener bei Hundebegegnungen auch schwierige Situationen meistern.

(Inga Jung, Juli 2014)

„Das hat er ja noch nie gemacht.“

 

Ein Satz, der Emotionen hochkochen lässt. Aber schauen wir uns das mal objektiv an.

Ja, sicher, es gibt Hundehalter, die sich mit solchen Sätzen herausreden möchten, um nicht zugeben zu müssen, dass sie ihren Hund einfach nicht unter Kontrolle haben. Aber von diesen Leuten mal abgesehen, kann jeder Hundebesitzer in eine Situation kommen, in der ihm genau diese Worte herausrutschen.

Zum Beispiel darf man die Gruppendynamik, die entsteht, wenn mehrere Hunde zusammen unterwegs sind, nicht unterschätzen.

Stellen wir uns vor, es treffen sich vier Hundekumpels auf der Wiese und spielen. Einer von ihnen ist ein kleiner Draufgänger, der auch mal andere Hunde anpöbelt, die anderen drei sind zurückhaltend und immer freundlich.

Nun kommt ein einzelner Hund an dieser Gruppe vorbei. Der Draufgänger sieht ihn und läuft bellend auf ihn zu. Was werden wohl die anderen drei, die gerade noch durch das Spiel aufgeheizt und in Tobe-Laune sind, tun? – Keine Frage, die lassen sich mitreißen und rennen ebenfalls bellend auf den Einzelnen zu. Und weil man sich zu viert so unglaublich stark fühlt, zwickt man im Übermut vielleicht sogar den einzelnen Hund ein bisschen. Macht schließlich Spaß, so eine gemeinschaftliche Attacke.

Da steht man dann als Besitzer so eines immer freundlichen, zurückhaltenden Hundes, der in dieser Situation eine komplette Charakterwandlung durchlaufen zu haben scheint, erst einmal mit offenem Mund daneben und kann es gar nicht fassen. „Das hat er ja noch nie gemacht.“ Schon sind sie raus, die Worte, auf die man früher selbst immer nur ein verächtliches Lachen hat sehen lassen.

Unsere Hunde sind keine Maschinen, sondern sie sind Lebewesen, die sich von Emotionen mitreißen lassen. Die auch mal im Übermut über die Stränge schlagen und dann Dinge tun, die man ihnen normalerweise nie zugetraut hätte.

Wir Menschen unterschätzen das oft. Das ist auch der Grund, weshalb man ständig Hunde ohne Leine an der Straße laufen sieht, weil die Menschen einfach nicht genug Vorstellungskraft besitzen, um sich in die Welt ihres Hundes zu versetzen. Dabei ist es nun wirklich kein Geheimnis, dass Hunde sich mit Verkehrsregeln nicht auskennen und die Gefahr, die von einem fahrenden Auto ausgeht, meist nicht einschätzen können. Aber sie laufen normalerweise so brav auf dem Bürgersteig, dass man sich gar nicht vorstellen kann, dass sie sich auch mal erschrecken und plötzlich vor ein Auto laufen könnten. „Das hat er ja noch nie gemacht.“

Wichtig für uns Hundebesitzer ist es, aus der Erfahrung zu lernen, um Situationen besser einzuschätzen und vorherzusehen. Damit wir beim nächsten Mal schnell reagieren und unseren Hund zu uns rufen können, sobald wir sehen, dass sich ein einzelner Hund der Gruppe nähert. Oder damit wir kein Risiko eingehen und unseren Hund an der Straße immer an der Leine führen. Denn die Verantwortung, die wir übernommen haben, als wir unseren Hund zu uns nahmen, nimmt uns niemand ab, die tragen wir alleine, sein ganzes Leben lang.

(Inga Jung, Juni 2014)

Zappelhunde Lesung in Kiel

 

Am 17. Juni 2014 werde ich ab 18.30 Uhr in Kiel aus meinem neuen Buch „Zappelhunde“ lesen. Die Lesung findet in den Räumen der Kieler Tiertafel in der Friedrichsorter Str. 3 statt.

In dem Buch geht es um hyperaktive Hunde, um nervöse und hibbelige Hunde, um Hunde mit Konzentrationsschwierigkeiten, Impulskontrollstörungen und mangelnder Frustrationstoleranz. Es geht um Ursachen und um Mittel und Wege, mit so einem Hund auf vernünftige Art und Weise umzugehen.

Es geht auch darum, wie man es nicht machen sollte und welche Fehler es zu vermeiden gilt.

Ich erzähle von meinem eigenen Hund und von Hunden, die ich im Training hatte. Ich zeige Lösungsmöglichkeiten auf, aber sage auch, wo das Training Grenzen hat.

Das Buch ist sowohl für Besitzer hyperaktiver Hunde spannend, als auch für Hundebesitzer, die mit anderen Verhaltensauffälligkeiten ihrer Hunde zu kämpfen haben. Aber auch „Otto-Normal-Hund“ kann durchaus von einigen Tipps profitieren. Fragen dürfen natürlich gestellt werden.

Der Eintritt zur Lesung kostet 5 Euro, er wird in vollem Umfang der Kieler Tiertafel gespendet, in deren Räumlichkeiten die Lesung stattfindet.

Ich bitte um kurze Voranmeldung bei mir. Ich freue mich schon darauf, viele interessierte Zuhörer begrüßen zu dürfen.

Zappelhunde Lesung in Bad Bevensen

 

Am Mittwoch, 21. Mai 2014, las ich ab 19.30 Uhr in der Buchhandlung Paff in der Röbbeler Str. 2a in Bad Bevensen aus meinem neuen Buch über das Leben mit impulskontrollgestörten, nervösen, reizempfindlichen oder auch hyperaktiven Hunden: „Zappelhunde“.

Auch wenn mein neues Buch wieder ein spezielles Thema behandelt, sind doch viele Tipps enthalten, die sich für jeden Hundebesitzer eignen, und speziell für den Umgang mit Hunden, die Verhaltensauffälligkeiten jeder Art zeigen.

In Bad Bevensen kamen sowohl Besitzer unauffälliger Hunde, als auch mehrere Menschen, die einen überaktiven Hund zu Hause haben, zur Lesung. Die Gelegenheit, Fragen zu stellen, wurde von sehr vielen Zuhörern rege genutzt, und so kamen spannende Gespräche auf.

Der Eintritt in Höhe von 5 Euro pro Person wurde komplett an den Deutschen Tierschutzbund e.V. gespendet.

Es war für mich eine Premiere, auf einer Veranstaltung so viel vorzulesen. Das kannte ich bisher noch nicht. Die Lesung hat mir aber sehr viel Spaß gemacht, und ich freue mich schon auf die nächste Lesung, die im Juni 2014 in Kiel stattfinden wird.

Mehr Infos dazu auf meiner Homepage.