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Die Angst vor der Alleinherrschaft des Yorkshire Terriers

 

Wir leben in einer aufgeklärten Welt. In einer Welt, in der Informationen frei zugänglich sind und jeder Mensch, der den Willen dazu hat, sich zu allen Themen Wissen aneignen kann. Umso mehr frage ich mich, wie es möglich ist, dass sich längst überholte Theorien in Bezug auf das Verhalten von Hunden und den Umgang mit ihnen so nachhaltig in den Köpfen festsetzen und da einfach nicht herauszukriegen sind.

Insbesondere wenn es um Dominanz, Rangordnung und Hausregeln geht, gleicht es manchmal einem Kampf gegen Windmühlen, den Menschen bewusst zu machen, dass die früheren Vorstellungen von dem machthungrigen Hund, der nur danach trachtet, die Herrschaft über den Haushalt zu übernehmen, schlichtweg Unsinn sind. Sie sind veraltet, sie wurden inzwischen sogar eindeutig wissenschaftlich widerlegt. Es wurde nachgewiesen, dass sich zwischen Mensch und Hund überhaupt keine Rangordnung in diesem Sinne etabliert und dass Hunde das Zusammenleben mit uns Menschen viel eher aus der Rolle eines jugendlichen Familienmitgliedes heraus betrachten. Wie kommt es nun, dass die Überzeugung, sich gegen den Hund jeden Tag in einem Machtkampf behaupten zu müssen, in den Köpfen der Menschen so festsitzt?

Es gibt nach wie vor Hundetrainer, die diese veralteten Theorien verbreiten, und diese Hundetrainer sind erstaunlich populär. Oberflächlich betrachtet mag es völlig unverständlich sein, warum diese Hundetrainer, die zum Teil einen regelrechten „Guru“-Status innehaben, so erfolgreich sind und ihr gefährliches Halbwissen so ungeniert verbreiten können.

Ich glaube aber, letzten Endes ist die Antwort auf diese Frage recht einfach, denn sie liegt in der Psychologie des Menschen begründet.

Wie bekommt man Menschen dazu, einem zu folgen?

1) Man macht ihnen Angst: „Wenn du deinen Hund nicht so behandelst wie ich es dir sage, dann wird das Ganze in einer Katastrophe enden. Er wird die Herrschaft über dich und deine Familie übernehmen und euch die nächsten zehn Jahre terrorisieren.“

2) Man redet ihnen Schuldgefühle ein: „Du hast ein Problem mit deinem Hund? Selbst schuld. Das ist nur passiert, weil du dich nicht an meine Trainingsphilosophie gehalten hast.“

3) Man bietet ihnen einfache Lösungen: „Tue einfach dies, das und jenes, und alle deine Probleme sind gelöst.“

Das funktioniert, so ticken die Menschen, darauf springen sie an.

Wenn man ihnen hingegen sagt, dass ihr Hund ein hoch intelligentes und hoch soziales Lebewesen ist, das nicht nach einem einfachen Prinzip funktioniert wie eine Maschine, dann sind die Menschen damit überfordert. Denn das bedeutet ja, dass Methoden nach Schema F von vornherein zum Scheitern verurteilt sind. Das bedeutet, dass man lernen muss, mit seinem Hund zu kommunizieren, und dass man ihn mit Respekt behandeln muss. Das klingt alles nach verdammt viel Arbeit. Da lebe ich lieber in Angst und Schrecken vor der möglichen Alleinherrschaft des Yorkshire Terriers, denn dank meines Hundetrainers habe ich ja die richtigen Patentrezepte dagegen.

Dass Menschen so einfach gestrickt und so leicht zu manipulieren sind, wird in diesem Fall leider vielen Hunden zum Verhängnis. Denn auf der Basis dieser falschen Vorstellungen werden sie ihr Leben lang von ihren Menschen missverstanden und leider oft sogar – im Glauben, das einzig Richtige zu tun – misshandelt.

Ich kann nur jeden Hundebesitzer dazu ermahnen, kritisch zu sein und Empfehlungen, die er bekommt, von wem auch immer, zu hinterfragen. Vieles wird klar, wenn man sich seinen eigenen Hund und dessen Verhalten einfach mal unvoreingenommen anschaut und sich fragt:

„Gleicht das Verhalten dieses Hundes dem eines machthungrigen Diktators?“

„Oder vielleicht doch eher dem eines Jugendlichen, der vielleicht mal über die Stränge schlägt und sein eigenes Ding macht, sich aber in Notsituationen ganz schnell wieder zu seiner Mama rettet?“

Ich wette, dass mindestens 90 Prozent der Hundebesitzer nach der ehrlichen Beantwortung dieser Fragen doch eher Nummer zwei wählen werden.

Die restlichen zehn Prozent haben vermutlich sehr eigenständige und ernsthafte Hunde wie zum Beispiel Herdenschutzhunde, die in keine dieser beiden Kategorien so recht passen und für die man eine eigene Frage formulieren müsste, zum Beispiel frei nach dem Motto:

„Habe ich das Gefühl, dass mein Hund das Leben als eine einzige Arbeitsaufgabe wahrnimmt?“

Auch diese Hunde sind nicht darauf aus, die Macht über andere zu erlangen, sondern sie erledigen konzentriert ihren Job – oder das, was sie dafür halten – und nehmen diese Aufgabe sehr ernst.

Aber welchen Typ Hund auch immer man vor sich hat, man kommt an einer Tatsache schlicht und einfach nicht vorbei:

Es gibt keine Patentrezepte.

Verständnis des Hundes und seines jeweiligen Charakters, die Beobachtung seines Verhaltens, die Kommunikation mit ihm und der Respekt vor ihm als soziales, denkendes und fühlendes Lebewesen sind unerlässlich für eine vertrauensvolle Partnerschaft zwischen Mensch und Hund.

Wem das zu schwierig ist, der sollte sich überlegen, ob er sich als Hundehalter überhaupt eignet, oder ob er mit einem Stofftier nicht doch besser beraten wäre.

(Inga Jung, Januar 2015)

Auseinandersetzung mit dem Altwerden

 

Lebt man mit einem Hund zusammen und verbringt tagein, tagaus seine Zeit mit ihm, dann merkt man manchmal gar nicht, wie die Jahre vergehen. Man selbst nimmt es kaum wahr, die Zeit verfliegt nur so, und für uns sind drei Jahre ja auch kein großer Unterschied. Für den Hund aber kann die Zeitspanne zwischen dem siebten und dem zehnten Lebensjahr eine Menge Veränderungen beinhalten.

Es ist wichtig, dass wir das nicht übersehen, dass wir schon erste Zeichen wahrnehmen und darauf reagieren, um einerseits einen zu schnellen körperlichen Abbau durch entsprechende Gegenmaßnahmen zu bremsen, andererseits aber auch den Hund nicht zu überfordern. Denn wenn ein Hund durch altersbedingte Veränderungen eingeschränkt ist, kann die früher so alltägliche Joggingrunde mit uns für ihn irgendwann zu viel sein. Da er es seinem Menschen aber immer recht machen will, wird er das vielleicht nicht so deutlich zeigen. Hier muss man genau hinschauen.

Veränderungen sind manchmal so schleichend, dass man sie kaum mitbekommt. Im Laufe der Zeit wird der Hund immer ruhiger, und man gewöhnt sich daran und nimmt es hin. Hinter einer so auffälligen Veränderung kann aber eine ernste Krankheit stecken. Nur wenn man offen damit umgeht und nicht alles nur auf das Älterwerden schiebt, hat man die Chance, Krankheiten rechtzeitig zu erkennen und beispielsweise zu sehen, dass das große Ruhebedürfnis des Hundes auf Schmerzen zurückzuführen ist und dass er nach der Behandlung der Ursachen auf einmal wieder spielt wie ein junger Hund. Das kommt öfter vor als man denkt, und solche Eventualitäten sollte man immer bedenken.

Wenn der eigene Hund langsam älter wird, betrachtet man ihn zunehmend mit anderen Augen. Er ist im Vergleich zu früher schwächer und anfälliger, hat schon einige Krankheiten hinter sich. Man ist jeden Tag besorgt, ob es ihm gut geht oder ob ihm vielleicht irgendetwas wehtut. Man schaut genauer hin und registriert jedes Schwanken, jedes Seufzen, jeden traurigen Blick, aber auch jedes Aufflackern von Freude und Begeisterung.

Früher, als er noch jung und fit war, war es ganz normal, dass er ab und zu „seine fünf Minuten“ bekam und wie verrückt herumrannte und tobte. Das kommt inzwischen selten vor. Aber wenn es mal wieder so ist und er auf einmal wie ein junger Hund zu toben beginnt, dann geht einem so richtig das Herz auf. Man wird von einem unbeschreiblichen Glücksgefühl durchflutet. Den alten Kumpel, mit dem man schon so viel erlebt hat, so fröhlich und unbeschwert zu sehen, das ist die größte Belohnung für all die Sorgen, die Operationen, die Stunden beim Tierarzt, in denen es ihm nicht gut ging. Denn das zeigt doch, dass er immer noch genug Kraft und Freude am Leben hat und sich nicht unterkriegen lässt. Dass es ihm trotz des Alters gut geht und er weiterhin Spaß haben will.

Altwerden ist nicht schön, auch für einen Hund nicht. Er merkt, wie seine Kräfte schwinden und dass er sich gegen jüngere Hunde nicht mehr so wie früher behaupten kann. Er merkt, dass ihm schneller kalt wird und dass er vieles, was ihm früher leichtfiel, nicht mehr schafft. Er kann vielleicht schlechter sehen und hören als früher, und das verunsichert ihn. Mit Veränderungen kommt er schlechter klar, eine Urlaubsreise wird für ihn zur Qual, er braucht seine gewohnte Umgebung und seine Strukturen. Wenn unser Hund alt wird, müssen wir wieder mehr für ihn da sein, bei ihm sein. Es ist eigentlich wie mit einem Welpen, er braucht einfach seine Menschen, er kommt nicht mehr so gut alleine klar.

Man muss sich auch darauf einstellen, dass ein alter Hund teurer wird, denn er wird schneller krank. Er muss eventuell öfter zum Tierarzt, und wenn man Pech hat, sind die Behandlungen langwierig und teuer. Er braucht vielleicht auch ein Spezialfutter. Wer nicht viel Geld hat, sollte diese Zeit vorausplanen und bereits anfangen zu sparen, solange der Hund noch jung und fit ist. Denn Krankheiten kommen oft sehr plötzlich, und es kann gut sein, dass dann innerhalb weniger Monate über tausend Euro investiert werden müssen, damit der Hund eine gute Behandlung erhält.

Hat man viele Jahre mit seinem Hund in enger Gemeinschaft verbracht, dann ist man aber gern bereit, für ihn Opfer zu bringen. Er ist schließlich ein Familienmitglied und ein guter Freund. Und ich bin sicher, dass es keineswegs vermenschlichend ist zu behaupten: Wäre es andersherum und wäre ich diejenige, die alt und gebrechlich wird, dann würde er auch nicht von meiner Seite weichen und alles versuchen, um mir zu helfen. Denn wir gehören einfach zusammen.

(Inga Jung, Oktober 2014)

Hundebegegnungen

 

Häufig habe ich Anfragen von Hundebesitzern, deren Hunde Schwierigkeiten beim Kontakt mit Artgenossen haben. In den meisten Fällen reagieren diese Hunde entweder beim direkten Kontakt oder schon im Vorfeld abwehrend auf andere.

Wenn wir dann zusammen spazieren gehen und ich mir das Verhalten dieser Hunde anschaue, fällt mir auf den Hundeauslaufflächen allerdings häufig eines auf: Viele der dort frei auf uns zukommenden Hunde sind erschreckend distanzlos und haben offenbar nicht gelernt, anderen Hunden auf höfliche Weise zu begegnen. So ist es dann auch nicht verwunderlich, dass der Hund meiner Kunden bereits im Vorfeld abwehrend reagiert und keine Lust auf solche Begegnungen hat.

Hunde, die gerne erst einmal mit ein paar Zentimetern Abstand ihr Gegenüber erschnuppern möchten, empfinden es verständlicherweise als belastend, wenn ihnen jeder Hund, der ihnen entgegenkommt, sofort ins Gesicht springt. Und je kleiner der so überrumpelte Hund ist, desto erschreckender sind solche Erfahrungen für ihn. Da hilft es ihm gar nichts, dass das Gegenüber „nur spielen“ will, denn auch ein spielerisch gemeintes Überrennen eines fremden Hundes ist letzten Endes nichts anderes als eine extrem unhöfliche und distanzlose Begegnung. Ein solches Verhalten gehört sich einfach nicht.

Wie kommt es nun, dass es scheinbar immer mehr Hunde gibt, die nicht in der Lage sind, anderen auf respektvolle Weise zu begegnen? Hängt dies möglicherweise mit dem heutzutage weit verbreiteten Besuch von Welpenspielgruppen zusammen?

Eine Welpenspielgruppe kann eine tolle Sache sein, insofern sie gut geleitet ist. Wer eine Welpenspielgruppe beaufsichtigt, trägt eine riesengroße Verantwortung auf seinen Schultern, denn der Besuch einer schlecht geführten Welpengruppe kann das Sozialverhalten eines Hundes für die gesamte Dauer seines Lebens negativ beeinflussen. Es ist daher unfassbar leichtsinnig, dass Welpengruppen in manchen Hundeschulen und -vereinen ausgerechnet von den unerfahrenen Trainerneulingen, Praktikanten oder Aushilfen ohne Basisausbildung geleitet werden.

In einer Welpenspielgruppe geht es nicht darum, die Hunde einfach nur miteinander spielen zu lassen, sondern es ist wichtig, dass der Trainer das Verhalten der Welpen beobachtet und gegebenenfalls besonders schüchterne Hunde unterstützt und besonders rüpelige Hunde ausbremst. Und auch deren Besitzern zeigt, wie das geht. Einfühlungsvermögen und Erfahrung sind notwendig, um das auf gute und richtige Weise tun zu können. Der Trainer muss sich mit dem Ausdrucksverhalten von Hunden auskennen und ein Gefühl für den richtigen Zeitpunkt zum Eingreifen haben. Passiert dies nicht, dann kommt es oft vor, dass kleine und schüchterne Welpen in solchen Gruppen permanent gemobbt werden und starke Welpen lernen, dass es Spaß macht, Schwächere unterzubuttern und über den Haufen zu rennen.

Hinzu kommt noch, dass die Welpen in diesen Spielgruppen nicht lernen, wie man sich vorsichtig einem Hund nähert, der gar nicht in Spielstimmung ist. Denn in der Gruppe kommen solche Begegnungen nicht vor, dort heißt es: Leinen los und spielen. Das so wichtige Begegnungsritual, das auf dem Spaziergang dem Spiel vorausgeht, fällt hier komplett aus. Kein Wunder also, dass die jungen Hunde glauben, es liefe auch im wirklichen Leben immer genauso ab und sie könnten auf jeden Hund, der ihnen begegnet, in Spiellaune zustürmen. Denn so ist es ja in der Welpengruppe auch immer gewesen.

Es ist daher sehr wichtig, dass man außerhalb dieser Spielgruppen seinen Welpen auch immer mal wieder in alltäglichen Situationen mit freundlichen erwachsenen Hunden zusammenkommen lässt, damit er lernt, dass er zu Beginn einer Begegnung vorsichtig sein muss und dass nicht jede Hundebegegnung auf ein Spiel hinausläuft. Dadurch schützt man nicht nur andere Hunde, die vor dem eigenen heranstürmenden Hund Angst bekommen könnten, sondern man hilft auch dem eigenen Hund, sich als Heranwachsender besser an neue Situationen und verschiedene Hunde anpassen zu können. Er wird dadurch in seinem späteren Leben viel mehr Möglichkeiten haben, durch sein eigenes Verhalten Konflikte mit anderen Hunden zu vermeiden und so immer souveräner und gelassener bei Hundebegegnungen auch schwierige Situationen meistern.

(Inga Jung, Juli 2014)

„Das hat er ja noch nie gemacht.“

 

Ein Satz, der Emotionen hochkochen lässt. Aber schauen wir uns das mal objektiv an.

Ja, sicher, es gibt Hundehalter, die sich mit solchen Sätzen herausreden möchten, um nicht zugeben zu müssen, dass sie ihren Hund einfach nicht unter Kontrolle haben. Aber von diesen Leuten mal abgesehen, kann jeder Hundebesitzer in eine Situation kommen, in der ihm genau diese Worte herausrutschen.

Zum Beispiel darf man die Gruppendynamik, die entsteht, wenn mehrere Hunde zusammen unterwegs sind, nicht unterschätzen.

Stellen wir uns vor, es treffen sich vier Hundekumpels auf der Wiese und spielen. Einer von ihnen ist ein kleiner Draufgänger, der auch mal andere Hunde anpöbelt, die anderen drei sind zurückhaltend und immer freundlich.

Nun kommt ein einzelner Hund an dieser Gruppe vorbei. Der Draufgänger sieht ihn und läuft bellend auf ihn zu. Was werden wohl die anderen drei, die gerade noch durch das Spiel aufgeheizt und in Tobe-Laune sind, tun? – Keine Frage, die lassen sich mitreißen und rennen ebenfalls bellend auf den Einzelnen zu. Und weil man sich zu viert so unglaublich stark fühlt, zwickt man im Übermut vielleicht sogar den einzelnen Hund ein bisschen. Macht schließlich Spaß, so eine gemeinschaftliche Attacke.

Da steht man dann als Besitzer so eines immer freundlichen, zurückhaltenden Hundes, der in dieser Situation eine komplette Charakterwandlung durchlaufen zu haben scheint, erst einmal mit offenem Mund daneben und kann es gar nicht fassen. „Das hat er ja noch nie gemacht.“ Schon sind sie raus, die Worte, auf die man früher selbst immer nur ein verächtliches Lachen hat sehen lassen.

Unsere Hunde sind keine Maschinen, sondern sie sind Lebewesen, die sich von Emotionen mitreißen lassen. Die auch mal im Übermut über die Stränge schlagen und dann Dinge tun, die man ihnen normalerweise nie zugetraut hätte.

Wir Menschen unterschätzen das oft. Das ist auch der Grund, weshalb man ständig Hunde ohne Leine an der Straße laufen sieht, weil die Menschen einfach nicht genug Vorstellungskraft besitzen, um sich in die Welt ihres Hundes zu versetzen. Dabei ist es nun wirklich kein Geheimnis, dass Hunde sich mit Verkehrsregeln nicht auskennen und die Gefahr, die von einem fahrenden Auto ausgeht, meist nicht einschätzen können. Aber sie laufen normalerweise so brav auf dem Bürgersteig, dass man sich gar nicht vorstellen kann, dass sie sich auch mal erschrecken und plötzlich vor ein Auto laufen könnten. „Das hat er ja noch nie gemacht.“

Wichtig für uns Hundebesitzer ist es, aus der Erfahrung zu lernen, um Situationen besser einzuschätzen und vorherzusehen. Damit wir beim nächsten Mal schnell reagieren und unseren Hund zu uns rufen können, sobald wir sehen, dass sich ein einzelner Hund der Gruppe nähert. Oder damit wir kein Risiko eingehen und unseren Hund an der Straße immer an der Leine führen. Denn die Verantwortung, die wir übernommen haben, als wir unseren Hund zu uns nahmen, nimmt uns niemand ab, die tragen wir alleine, sein ganzes Leben lang.

(Inga Jung, Juni 2014)

Zappelhunde Lesung in Kiel

 

Am 17. Juni 2014 werde ich ab 18.30 Uhr in Kiel aus meinem neuen Buch „Zappelhunde“ lesen. Die Lesung findet in den Räumen der Kieler Tiertafel in der Friedrichsorter Str. 3 statt.

In dem Buch geht es um hyperaktive Hunde, um nervöse und hibbelige Hunde, um Hunde mit Konzentrationsschwierigkeiten, Impulskontrollstörungen und mangelnder Frustrationstoleranz. Es geht um Ursachen und um Mittel und Wege, mit so einem Hund auf vernünftige Art und Weise umzugehen.

Es geht auch darum, wie man es nicht machen sollte und welche Fehler es zu vermeiden gilt.

Ich erzähle von meinem eigenen Hund und von Hunden, die ich im Training hatte. Ich zeige Lösungsmöglichkeiten auf, aber sage auch, wo das Training Grenzen hat.

Das Buch ist sowohl für Besitzer hyperaktiver Hunde spannend, als auch für Hundebesitzer, die mit anderen Verhaltensauffälligkeiten ihrer Hunde zu kämpfen haben. Aber auch „Otto-Normal-Hund“ kann durchaus von einigen Tipps profitieren. Fragen dürfen natürlich gestellt werden.

Der Eintritt zur Lesung kostet 5 Euro, er wird in vollem Umfang der Kieler Tiertafel gespendet, in deren Räumlichkeiten die Lesung stattfindet.

Ich bitte um kurze Voranmeldung bei mir. Ich freue mich schon darauf, viele interessierte Zuhörer begrüßen zu dürfen.

Zappelhunde Lesung in Bad Bevensen

 

Am Mittwoch, 21. Mai 2014, las ich ab 19.30 Uhr in der Buchhandlung Paff in der Röbbeler Str. 2a in Bad Bevensen aus meinem neuen Buch über das Leben mit impulskontrollgestörten, nervösen, reizempfindlichen oder auch hyperaktiven Hunden: „Zappelhunde“.

Auch wenn mein neues Buch wieder ein spezielles Thema behandelt, sind doch viele Tipps enthalten, die sich für jeden Hundebesitzer eignen, und speziell für den Umgang mit Hunden, die Verhaltensauffälligkeiten jeder Art zeigen.

In Bad Bevensen kamen sowohl Besitzer unauffälliger Hunde, als auch mehrere Menschen, die einen überaktiven Hund zu Hause haben, zur Lesung. Die Gelegenheit, Fragen zu stellen, wurde von sehr vielen Zuhörern rege genutzt, und so kamen spannende Gespräche auf.

Der Eintritt in Höhe von 5 Euro pro Person wurde komplett an den Deutschen Tierschutzbund e.V. gespendet.

Es war für mich eine Premiere, auf einer Veranstaltung so viel vorzulesen. Das kannte ich bisher noch nicht. Die Lesung hat mir aber sehr viel Spaß gemacht, und ich freue mich schon auf die nächste Lesung, die im Juni 2014 in Kiel stattfinden wird.

Mehr Infos dazu auf meiner Homepage.

Zappelhunde ist jetzt im Handel erhältlich

 

ZappelhundeMein neues Buch Zappelhunde – Vom Leben mit überaktiven Hunden ist nun endlich überall im Handel erhältlich.

Ich freue mich schon auf die Lesungen am 22. Mai 2014 in Bad Bevensen und am 17. Juni 2014 in Kiel.

Es werden bestimmt zwei sehr spannende und lustige Abende mit reichlich Zeit für Fragen und Diskussionen.

Für beide Veranstaltungen sind noch Plätze frei, weitere Anmeldungen sind möglich.

Der Eintritt in Höhe von 5 Euro wird jeweils in voller Höhe dem Tierschutz gespendet.

Weitere Infos hier auf meiner Homepage.

 

Hundetraining im Fernsehen

Wer als Hundeverhaltensberater tätig ist, sollte sich eigentlich die gängigen „Hundeflüsterer/in“-Sendungen im Fernsehen regelmäßig anschauen. Nicht etwa weil die so toll wären, sondern allein um zu wissen, wovon die Kunden sprechen, wenn sie in der Beratungsstunde die letzte Sendung von Trainer/in Sowieso erwähnen. Ich weiß, ich sollte mir möglichst alle diese Fernsehformate häufig ansehen, um Antworten zu haben, wenn ich nach den angewandten Methoden gefragt werde.

Aber ich ertrage es einfach nicht, wie diese Serien – sender- und trainerübergreifend – aufgemacht sind.

Es geht immer gleich los: Zuerst wird der Trainer, natürlich mit der entsprechenden Musik und hübschen Bildern untermalt, als eine Art Wunderheiler vorgestellt.

Dann wird ein Hund gezeigt, der extra für die Sendung enorm gestresst und provoziert wurde, damit er auch die gesamte Palette des Aggressionsverhaltens der Kamera zeigt. Oftmals verhalten sich Menschen dem Hund gegenüber bedrohlich, und dieser flippt natürlich aus, weil er angesichts der aufregenden Situation mit den Nerven am Ende ist. Währenddessen erklingt eine düstere Musik, und ein Sprecher oder eine Sprecherin bezeichnen den Hund als Bestie und tickende Zeitbombe.

Spätestens jetzt muss ich oftmals schon wieder ausschalten, denn allein diese Art der Darstellung und die grundlose Provokation des Hundes machen mich so unglaublich wütend, dass ich gar nicht in der Lage bin, mich auf das Folgende zu konzentrieren.

Schaffe ich es wider Erwarten doch hin und wieder einmal, mir die Sendung weiter anzuschauen, dann ist es im weiteren Verlauf oft der Trainer oder die Trainerin, der/die den Hund erneut so stark provoziert, dass er aggressiv reagieren muss. Alles für die Kamera, damit der Trainer/die Trainerin auch noch einmal dem Publikum bestätigen kann, dass es sich bei dem Hund wirklich um eine reißende Bestie handelt. Aber Gott sei Dank ist jetzt der Wunderheiler-Trainer da. Der Hund ist inzwischen nervlich so am Ende, dass er mit Sicherheit glaubt, alle Menschen wollten ihn umbringen. –  Und wohlgemerkt, das wird natürlich grundsätzlich als gewaltfreies und effektives Training verkauft!

Jetzt spätestens ist es für mich wirklich so weit, dass ich umschalten muss, denn zu sehen, wie der Hund hier auch noch für das werte Publikum gequält und seine Ängste durch den Wunderheiler-Trainer verstärkt werden, macht mich einfach nur fertig. Gibt es nicht auch ohne Tierquälerei schon genug Action im Fernsehen? Ist es wirklich notwendig, hier einen Hund zum nervlichen Wrack zu machen, nur damit alle sehen, wie „bissig“ er ist? – Nach dieser Sendung wird er es vermutlich wirklich sein …

Manchmal, wenn ich einen wirklich guten, nervenfesten Tag habe, bin ich in der Lage, mir die Sendung bis zum Ende anzusehen. In der Regel gibt es nach zahllosen Provokationen, dem Spritzen mit Wasser, dem Werfen von Schepperdosen, dem Würgen des Hundes oder anderen Maßnahmen, von denen die meisten das Problem des Hundes verstärken, dann eine wundersame „Heilung“. Diese „Heilung“ stellt sich so dar, dass der Hund meist in Zeitlupe gefilmt wird, was seine Bewegungen viel ruhiger erscheinen lässt, das Ganze im Sonnenschein und mit wunderschöner, harmonischer Musik untermalt. Dem Zuschauer wird ein Happy End suggeriert, auch wenn sich bei genauem Hinsehen am Verhalten des Hundes überhaupt nichts geändert hat. Er hat immer noch dieselben Probleme wie zuvor, nur vermutlich noch eine Spur stärker, aber für die Schluss-Szenen wird er natürlich nicht extra provoziert, sondern da lässt man ihn nun endlich in Ruhe. So bekommt man dann auch ganz einfach einen Hund, der kein Aggressionsverhalten zeigt – denn endlich hat er mal keinen Grund mehr, sich zu verteidigen. Eine wirkliche Lösung ist nicht in Sicht, aber dem Zuschauer wird mit diversen filmischen Mitteln auf einfache Weise ein Heile-Welt-Gefühl suggeriert. Bei dieser Musik kann schließlich kein Hund mehr aggressiv sein …

Das Schlimmste an diesen Sendungen ist, dass so viele Leute den Unsinn, der da erzählt wird, tatsächlich glauben und das an ihrem eigenen Hund ausprobieren. Die Hunde entwickeln reihenweise Ängste und zum Teil sogar massive Verhaltensprobleme, nur weil ihre Besitzer vollkommen gedankenlos die „Methoden“ aus den Hundetrainer-Serien anwenden. Damit tragen die Fernsehsender eine riesige Verantwortung. Viele dieser Sendungen sind durchaus tierschutzrelevant, weil durch ein Nachmachen der gezeigten Methoden vor allem bei sensiblen Hunden erhebliches Leid verursacht werden kann.

Da ein wirklich gutes und effektives Hundetraining eben keine Aggressionen provoziert, sondern unterhalb der Reaktionsschwelle ansetzt und somit für Außenstehende sterbenslangweilig aussieht, wird es mit Sicherheit keine tollen Einschaltquoten erzeugen. Daher bin ich der Meinung, dass das Hundetraining im Fernsehen überhaupt nichts zu suchen hat. Warum konzentrieren wir uns nicht lieber auf belanglose Themen, die weder Mensch noch Tier wehtun? Es gibt doch genug, worüber man sonst noch berichten kann.

(Inga Jung, April 2014)

Die Leckerli-Frage

Im Hundetraining gibt es viele Überzeugungen und viele Methoden – und oftmals steckt auch in den absurdesten Trainingsmethoden ein klitzekleiner wahrer Kern, ein bisschen Sinn, der sich krampfhaft hinter den Dogmen zu verstecken versucht. Das Problem mit den Methoden ist nur, dass sie die Tatsache außer Acht lassen, dass Hunde und Menschen individuell sind.

Methoden sind zu starr, zu unflexibel, um bei jedem Mensch-Hund-Team funktionieren zu können. Es ist daher schlicht nicht sinnvoll, von vornherein zu sagen: „Ich mach das jetzt so und nicht anders. Denn so ist es richtig.“ Denn man muss immer schauen, was für einen Hund man hat und was für ein Mensch man selbst ist. Und dann gilt es herauszufinden, was diesem Team gut tut. Denn Hundetraining muss gut tun, sonst ist es nicht zielführend. Es muss sowohl dem Hund als auch dem Menschen sinnvoll erscheinen und Spaß machen. Nur was diesem speziellen Hund und diesem speziellen Menschen sinnvoll erscheint und Spaß macht, das ist eben sehr individuell.

Eine dieser starren Methoden ist der grundsätzliche Verzicht auf Futterbelohnungen. Als ich noch in der Welpengruppe ausgeholfen habe, lernte ich eine Frau kennen, die komplett jegliche Futterbelohnung ihres Hundes verweigerte. Und das nicht etwa, weil ihr Hund nichts fressen wollte (das hätte ich verstanden). Nein, sie hatte irgendwo gehört, dass ihr Hund nicht für sie arbeiten würde, sondern nur für das Futter, wenn sie ihn damit belohnen würde, und das wollte sie nicht. Sie wollte, dass ihr Hund alles nur für sie tut, für Frauchen, den Mittelpunkt seiner Welt.

Selbstverständlich funktionierte das überhaupt nicht, denn es handelte sich um einen Welpen, und die beiden kannten sich erst seit einer Woche. Der Hund hatte noch keine wirkliche Bindung zu seiner Besitzerin aufgebaut, denn die fällt schließlich nicht vom Himmel, und für ihn war alles andere interessanter als die Frau, die ihn an der Leine führte. Hier prallte eine romantische Vorstellung von einem Hund, der auf die Welt kommt und sofort seinen Menschen anhimmelt und allein aus diesem Grund mit Freude jedes Kommando für ihn ausführt, schlicht und ergreifend auf die harte Realität.

Sicher gibt es auch andere Möglichkeiten, einen Hund zu belohnen, aber in vielen Situationen ist Futter, begleitet von verbalem Lob, die beste Variante, um das Training positiv aufzubauen und den Hund zum Weitermachen zu motivieren.

Auch wenn ein Hund sich zu Hause noch so gern streicheln lässt, wird ihn das in einer Lernsituation wahrscheinlich eher stören.

Und Spielzeug fördert die Aufgeregtheit des Hundes – etwas, das manchmal okay sein mag, aber bei konzentrierter Arbeit können wir das gar nicht gebrauchen.

Manchmal kann man mit funktionalen Verstärkern arbeiten (also dem, was der Hund gerade möchte), aber das geht auch nicht immer.

Das bedeutet: Futterbelohnung ist in manchen Situationen – gerade wenn es darum geht, etwas Neues zu lernen – absolut angebracht. Man sollte es aber nicht übertreiben und für seinen Hund zum wandelnden Futterautomaten werden. Eine Belohnung wird vom Hund nur als eine hochwertige Belohnung empfunden, wenn er sie nicht alle paar Minuten fürs bloße Rumstehen und Pupsen bekommt, sondern als direkte Folge bestimmter Handlungen.

Je fortgeschrittener ein Hund in seiner Ausbildung ist, desto seltener muss er mit Futter belohnt werden – auch hier muss wieder der ganz individuelle Charakter des Hundes beachtet werden; der eine braucht ein bisschen mehr Motivation als der andere. Ein lobendes Wort als Anerkennung guten Verhaltens ist dagegen immer und bei jedem Hund angebracht und wichtig.

Ich selbst habe immer Leckerlis dabei, auch wenn meine Hunde das eigentlich im Alltag nicht „brauchen“. Der Grund ist einfach: Wir leben in einer sehr wildreichen Gegend, und es kann jeden Tag passieren, dass in unserer unmittelbaren Nähe plötzlich ein paar Rehe oder Hasen weglaufen. Bleiben meine Hunde bei mir und starten keinen Versuch hinterherzurennen, dann ist das eine großartige Leistung, die eine ungeheure Selbstbeherrschung erfordert. Diese Leistung muss ich entsprechend anerkennen.

Hätte ich in so einem Moment nur ein lapidares „Gut gemacht“ für meine Hunde übrig, dann würden sie sich das Ganze beim nächsten Mal sicher anders überlegen. Nein, in so einer Situation muss der Jackpot her!

Eine starke Leistung muss auch großartig belohnt werden. Wenn da zu wenig kommt, dann wird sich jeder Hund das nächste Mal deutlich weniger anstrengen. Wozu denn auch? Dem Menschen scheint es ja egal zu sein.

(Inga Jung, Februar 2014)

 

Wenn Hunde stärker als beabsichtigt zubeißen – ist oft der Mensch schuld

In einer lockeren Runde mit Freunden und Kollegen kommen häufig Hundethemen auf, denn den meisten ist bekannt, dass ich als Hundeverhaltensberaterin unterwegs bin. Dabei werde ich oft mit Thesen und Theorien konfrontiert, die von anderen Hundetrainern geäußert oder – was selten gut ist – im Fernsehen aufgeschnappt wurden.

Vor einigen Wochen meinte ein Kollege, er sei auf einem Seminar über das Aggressionsverhalten von Hunden gewesen, und dabei sei erwähnt worden, dass Hunde grundsätzlich ganz genau wüssten, wie fest sie zubeißen, und dass es daher keinen unabsichtlichen Hundebiss gebe.

Das machte mich sehr nachdenklich. Ist das wirklich so?

Ich denke immer zuerst an meine eigenen Hunde, und da ist es doch häufig so, dass im Eifer der Emotionen auch mal ein bisschen stärker zugeschnappt wird als eigentlich beabsichtigt. Gerade wenn ich meinen Hunden mit Futter in der Hand dabei helfe, einigermaßen beherrscht an einer Katze vorbeizugehen, dann sind sie in der Regel so aufgeregt, dass sie es nicht bemerken, wenn sie statt des Futters meinen Finger erwischen oder auch mal etwas stärker zuschnappen als gewöhnlich.

Rufe ich „Aua“, dann lassen sie selbstverständlich sofort erschrocken los. Und in einer entspannten, ruhigen Situation ist ihnen das noch nie passiert, denn da sind sie dann auch wirklich in der Lage zu kontrollieren, wohin und mit welcher Kraft sie beißen.

Also: Wissen meine Hunde immer ganz genau, wie fest sie zubeißen? Nein, das tun sie nicht.

 

Hinzu kommt noch eine weitere Tatsache: Hunde haben keine angeborene Beißhemmung, das heißt, sie wissen nicht von Geburt an, wie fest sie zubeißen dürfen, bis es ihrem Gegenüber wehtut.

Welpen lernen im Spiel miteinander, wann dieser Punkt erreicht ist. Wenn ein Welpe aufschreit und das Spiel beendet, war es zu heftig. Dann wird eine Pause gemacht und später weitergespielt.

Und auch wir Menschen sind in der Pflicht, dem Hundekind zu zeigen, wann die spitzen Welpenzähne uns wehtun, indem wir uns bemerkbar machen und das Spiel kurz unterbrechen. Und das müssen wir regelmäßig wiederholen, bis der kleine Hund gelernt hat, dass er mit uns sanft umzugehen hat.

Wenn wir diese wichtige Lernphase verpassen und unserem kleinen Hund alles durchgehen lassen, weil er ja so niedlich ist, dann wird er auch später davon ausgehen, dass wir sehr unempfindliche Wesen sind und er ruhig beherzt zubeißen kann. Dem Hund hierfür einen Vorwurf zu machen wäre völlig falsch, denn wir haben es ihm schließlich so beigebracht.

Ein Hund, der dem Menschen gegenüber keine ausreichende Beißhemmung erlernt hat, weiß schlicht und einfach nicht, wann er dem Menschen wehtut. Das muss dem Hund beigebracht werden, denn von alleine kommt er nicht darauf.

 

Kommen wir zurück zu emotional aufregenden Situationen, wie ich sie oben geschildert habe. Ich denke, das kann man getrost auf alle Hunde beziehen. Denn immer dann, wenn starke Emotionen und Ablenkungen eine Rolle spielen, sinkt die Fähigkeit zur Selbstkontrolle. Das ist ein ganz normaler physiologischer Vorgang.

Und schauen wir noch ein bisschen weiter über den Tellerrand. Wie sieht es denn mit unserer Rechtsprechung aus? Da heißt es doch auch, dass in besonderen, emotional sehr aufwühlenden und stressigen Situationen manchmal mildernde Umstände gelten. Das nennt man dann „Handlung im Affekt“. Vielleicht ist derjenige, der „im Affekt“ einen anderen erschlagen hat, gar nicht schuldfähig, weil er durch besondere innere und äußere Umstände heftiger zugeschlagen hat als eigentlich beabsichtigt.

Mit solchen Erwägungen haben unsere Gerichte täglich zu tun, in Bezug auf Menschen.

Aber wenn wir schon unseren Mitmenschen zugestehen, sich in manchen Situationen so wenig unter Kontrolle zu haben; und wenn wir das als Entschuldigung für übertrieben starke Handlungen akzeptieren – es muss ja nicht gleich ein Mord sein –, dann finde ich es ganz schön überheblich, von unseren Hunden zu verlangen, dass sie all ihre Handlungen grundsätzlich im Griff haben sollten.

Denn das würde bedeuten, dass wir Menschen von einem Tier, das weniger rational und weniger vorausschauend denkt als wir, mehr Rationalität und Voraussicht erwarten als von uns selbst.

Für uns nehmen wir in Anspruch, im Affekt handeln und auch mal heftiger als gewollt reagieren zu dürfen. Unsere Hunde aber dürfen das nicht.

Affekthandlungen sind etwas, das man unwillkürlich tut. Über eine Affekthandlung denkt man nicht nach, sondern man handelt erst und überlegt sich danach erst, ob das gerade schlau war. Und genau das ist der Grund, warum wir von unseren Hunden nicht erwarten dürfen, dass sie sich jederzeit komplett unter Kontrolle haben. Das können sie gar nicht, es wäre schlicht und einfach zu viel verlangt.

Wir Menschen sind in der Lage, Situationen vorherzusehen. Wir können vorausschauend handeln. Und wir müssen das auch tun, wenn wir mit unseren Hunden zusammen sind.

Das heißt:

Wenn ich einen jagdbegeisterten Hund habe, dann muss ich mich darauf vorbereiten, dass er beim Anblick des Rehs, das in einiger Entfernung von uns über die Felder läuft, gleich ziemlich heftig reagieren wird.

Habe ich hingegen einen Hund, der sich schnell bedroht fühlt, und ich bringe ihn in eine bedrängte Lage, dann brauche ich mich ebenfalls nicht zu wundern, wenn er sich heftig verteidigt.

Wenn ich einen Hund habe, der im Spiel schnell überdreht und dann auch mal zuschnappt, dann darf ich ihn nicht so hochpushen. In dem Fall wäre ich selber schuld, wenn er in dieser Situation nach mir schnappt. Denn ich wusste, was ich tue, und ich habe mich meinem Hund gegenüber unfair verhalten, indem ich ihn so aufgedreht habe.

All das sind Dinge, die ich als Mensch beachten muss, damit mein Hund überhaupt in der Lage ist, sich zu beherrschen und nicht zu heftig zuzuschnappen. Das nennt man Fair Play.

(Inga Jung, Februar 2014)