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Buchtipp: „Hunde. Evolution, Kognition und Verhalten“

 

Das Buch „Hunde. Evolution, Kognition und Verhalten“ von Dr. Ádám Miklósi ist sicher keine leichte Kost, das sei schon zu Anfang gesagt. Wer auf der Suche nach einem locker zu lesenden Schmöker ist, der sei gewarnt: Dr. Ádám Miklósi ist durch und durch Wissenschaftler, und genauso schreibt er auch.

Hunde

Ich finde dieses Buch, das im Jahr 2009 im Kosmos Verlag erschien, hoch interessant, da es sich dem Thema Hund komplett von der wissenschaftlichen Seite her nähert und trotzdem den Hund nicht als ein Forschungsobjekt betrachtet, sondern als ein fühlendes und denkendes Lebewesen, dem man auch in der Wissenschaft keine unangenehmen Experimente zumuten darf. In diesem Zusammenhang geht der Autor beispielsweise auf die grausamen Versuche zur erlernten Hilflosigkeit ein, die in den Sechzigerjahren durchgeführt wurden, und verurteilt diese als unethisch und nicht zu rechtfertigen.

Miklósi beleuchtet alle Aspekte rund um den Hund, sowohl die Geschichte der Domestikation, als auch seine Sinnesleistungen und sein Verhalten sowie die bisherige und eventuelle zukünftige Forschung zu unserem ältesten Haustier. Dabei betont er immer wieder den engen Bezug des Hundes zum Menschen und die Tatsache, dass Hunde und Menschen einfach zusammengehören: „Heute sind sich die Wissenschaftler weitgehend einig, […] dass Hunde- und Menschenverhalten tatsächlich einige bedeutsame Merkmale gemeinsam haben.“ (S. 367)

Da er der Ansicht ist, dass man das Verhalten und die Leistungen eines Tieres am besten in seinem natürlichen Umfeld betrachtet, ist er im Hinblick auf den Hund der Meinung, dass Verhaltensbeobachtungen immer in Anwesenheit der Bezugsperson des Hundes und in einem für den Hund normalen Umfeld erfolgen sollten. Dies nicht zuletzt deshalb, weil herausgefunden wurde, dass Hunde sich durch die Anwesenheit eines vertrauten Menschen viel schneller beruhigen lassen, als durch die Anwesenheit eines vertrauten Hundes oder eines fremden Menschen.

Manchmal war ich bei der Lektüre etwas überrascht angesichts der leichten Inkonsequenz, mit der Miklósi sich zum Thema Dominanzverhalten äußert. Einerseits stellt er heraus, dass die Beobachtungen zum Dominanzverhalten, die früher die Dominanztheorie begründeten, im Gehege entstanden sind, was weder für den Wolf, noch für den Hund eine natürliche Situation darstellt. Und dass sich Wolf und Hund in ihrer natürlichen Umgebung (freie Wildbahn bzw. menschliche Familie) ganz anders verhalten. Er geht ebenfalls darauf ein, dass die neuere Wissenschaft eher dazu neigt, den Hund als Mitglied seiner menschlichen Familie zu sehen, das keinerlei Dominanzbeziehungen zu den anderen Familienmitgliedern entwickelt.

Andererseits verstrickt er sich dann aber doch wieder in widersprüchliche Aussagen, was vermuten lässt, dass er sich von der alten Theorie gedanklich noch nicht ganz lösen kann. Zum Beispiel meint er, die Menschen hätten den Hund so gezüchtet, dass er sehr viel aggressionsfreier als der Wolf sei. Das wiederum kann ich nicht nachvollziehen, denn ebenso wie Wölfe können manche Hunde sehr intolerant gegenüber Fremden sein, die nicht zu ihrer eigenen sozialen Gruppe gehören. Und ebenso wie Wölfe sind die meisten Hunde innerhalb ihrer eigenen Familie sehr sanft und geduldig und versuchen, Aggressionen zu vermeiden. Zudem ist das Verhalten solch hoch entwickelter Säugetiere einfach zu individuell, um generelle Aussagen in Bezug auf alle Hunde und alle Wölfe treffen zu können. Sieht man aber ausschließlich die Gehegewölfe vor sich und schließt das Verhalten frei lebender Wölfe aus, dann mag die Aussage stimmen, denn im Gehege treten durch den Stress und die beengte Situation insgesamt deutlich mehr Aggressionen auf. Ich vermute fast, dass die Aussage auf diesem Gedanken beruhte.

Gern zitiere ich den folgenden Absatz: „Immer wieder taucht in der Literatur die Annahme auf, dass das ‚Gewinnen‘ von Spielen Auswirkungen auf die hierarchische Beziehung zwischen Menschen und ihren Hunden hat […]. Abgesehen davon, dass keinerlei Daten zur Untermauerung dieser Annahme vorliegen[…], widerspricht sie auch der Logik des Spiels, weil Spielsignale dazu dienen sicherzustellen, dass eventuelle schädliche Handlungen nicht ernst genommen werden (sollten). Außerdem ist das Spiel durch einen ständigen Rollenwechsel gekennzeichnet, und Tiere vermeiden die Interaktion mit Artgenossen, die zu diesen Rollenwechseln nicht bereit sind.“ (S. 294 f.)

Ich finde es faszinierend, dass Miklósi als Wissenschaftler immer wieder auf die große Ähnlichkeit zwischen Mensch und Hund hinweist und darauf, dass unser Verhalten und unsere Reaktionen häufig vergleichbar sind. Aus diesem Grund fanden schon oft vergleichende Verhaltensexperimente mit Kindern und Hunden statt, in denen durchaus auch Parallelen gefunden wurden. Dass ein Wissenschaftler heutzutage dies nicht ablehnt und als Vermenschlichung abtut, sondern in seine Betrachtungen mit einbezieht, ist meiner Meinung nach ein großer Fortschritt auf dem Weg zu der Erkenntnis, dass Tiere eben keine leblosen Maschinen sind, die nur auf Reize reagieren, sondern genau wie wir denken und fühlen und uns vielleicht ähnlicher sind, als wir immer gedacht haben. Miklósi geht sogar noch weiter und führt an, dass sowohl Hunde wie auch Kinder klare Familienstrukturen brauchen, die ihnen Verlässlichkeit und Sicherheit bieten, und dass Hunde und Kinder in gleichem Maße soziale Unterstützung durch ihre Bezugspersonen benötigen. Er scheut sich ganz und gar nicht, hier Parallelen herauszustellen.

In dem Kapitel über Hunde im Tierheim, in dem es unter anderem darum geht, wie sehr Hunde unter mangelndem Sozialkontakt mit Menschen leiden und dass ihr Stresspegel im Tierheim bereits nach kurzer Zeit messbar ansteigt, fand ich diesen Satz besonders rührend, der im Gegensatz zu dem sonst streng wissenschaftlich gehaltenen Text erstaunlich emotional daherkommt: „ Zwar können Hunde Menschen durch Beißen verletzen, doch auch wir verletzen Hunde, wenn wir sie in Tierheimen sitzen lassen.“ (S. 113)

Bei der Beschreibung der Verhaltensbeobachtungen und Experimente, die mit Hunden durchgeführt wurden, betont Miklósi wiederholt ihre oft erstaunlichen Problemlösungsfähigkeiten. Selbst wenn ein Hund nicht die erwartete Lösung fand, ist der Autor nicht bereit, diese Aufgabe sofort als nicht lösbar einzustufen, sondern er schaut sich kritisch die Umstände an und legt nahe, dass möglicherweise eine für den Hund ungewohnte Umgebung oder die Tatsache, dass der Hund die Aufgabe aus seinem Blickwinkel anders betrachtet als der Mensch, zu dieser vermeintlich fehlerhaften Leistung geführt haben könnten.

Das ist wirklich interessant und ganz und gar nicht abwegig. Miklósi weist mehrfach darauf hin, dass viele Versuche aus absolut menschlicher Sicht aufgebaut sind und somit z.B. hauptsächlich visuelle Aspekte einbeziehen. Der Hund als „Nasentier“ nimmt aber noch viel mehr wahr als wir und setzt dementsprechend vielleicht auch an einem ganz anderen Punkt bei der Problemlösung an. Nur weil wir das mit unseren eingeschränkten Fähigkeiten nicht nachvollziehen können, muss es nicht zwangsläufig falsch sein.

Weiterhin führt Miklósi an, dass Hunde in einigen Versuchen, in denen Menschen anwesend waren, offenbar nicht nur den reinen Versuchsaufbau betrachteten, sondern die Menschen mit einbezogen und das Ganze als soziale, kommunikative Situation bewerteten, so wie sie es sonst aus ihrem Alltag auch gewohnt waren. Dadurch kann es vorkommen, dass ein Hund sich z.B. nicht traut, ein Stück Futter zu nehmen, obwohl er weiß, wie er es bekommen könnte, weil er der Meinung ist, dass einer der anwesenden Menschen Anspruch auf dieses Futterstück erhebt. Oder dass er den Menschen in die Problemlösung mit einbezieht, um das Ganze als gemeinsames Spiel aufzubauen, anstatt sich ausschließlich allein mit der Aufgabe zu beschäftigen. Das kann zu der fehlerhaften Interpretation führen, dass der Hund nicht wisse, wie er das Futter erreichen kann, obwohl er dieses Wissen vielleicht hat, es aber aus verschiedenen Gründen nicht anwendet.

Ich schließe mich Dr. Miklósi an mit der Ansicht, dass wir noch viel über das Wesen und die Gedankenwelt unserer Hunde zu lernen haben, selbstverständlich ohne ihnen dabei ein Leid zuzufügen. Und ich denke, dass wir sicherlich auch vieles von unseren Hunden lernen könnten, wenn wir nur in der Lage sind, uns ihrer Sichtweise zu öffnen und ihnen ohne Vorurteile zu begegnen.

(Inga Jung, August 2016)

Der Faktor Sonnenbrille

 

Sommer, Sonne, Sonnenschein – und schon laufen alle Hundeleute mit Sonnenbrille herum. Ist ja auch besser für die Augen und gegen Hautalterung usw. Und sieht natürlich auch total cool aus.

Seltsamerweise reagiert Rudi heute auf keine einzige Anweisung. Er wirkt planlos und unkonzentriert. Sonst ist Rudi eigentlich ein sehr verlässlicher Hund. Sein Mensch vermutet, dass das von der Hitze kommt. Vielleicht ein Sonnenstich?

Rudi indessen ist irritiert. Er ist es gewohnt, im Gesicht seines Menschen zu lesen, dessen Stimmung in seiner Mimik zu erkennen und aus jedem seiner Blicke Rückschlüsse auf das, was gleich kommen wird, zu ziehen. Heute aber ist da nichts zu sehen. Nur zwei dunkle Gläser starren ihn ausdruckslos an. Was ist bloß mit seinem Menschen los? Ob der wohl krank ist? Warum kommuniziert er nicht so wie sonst?

All das verunsichert Rudi und er weiß nicht so recht, was er tun soll. Er reagiert zögerlich auf die ihm eigentlich bekannten Signale, denn diese sind heute irgendwie anders als sonst. Es fehlen wichtige Elemente. Er ist angespannt.

Rudi und sein Mensch haben nun den Wald erreicht. Hier ist es schattig, und Rudis Mensch nimmt seine Sonnenbrille ab. Rudi ist überglücklich. Endlich kann er wieder erkennen, was sein Mensch ihm sagen möchte. Endlich ist wieder der für ihn so wichtige Blickkontakt möglich. Endlich ist die Welt wieder in Ordnung und er kann sich entspannen.

Ich glaube, die meisten Menschen kennen selbst dieses unangenehme Gefühl, wenn man sich mit einem anderen Menschen unterhält und dieser dabei eine so dunkle Sonnenbrille trägt, dass man seine Augen nicht erkennen kann. Es fühlt sich merkwürdig an. Irgendwie als ob der andere nicht ganz ehrlich sei, weil er seine Augen versteckt. Wer weiß, wo er die ganze Zeit hinschaut und ob er vielleicht gelangweilt mit den Augen rollt, während wir ihm unser Herz ausschütten.

Wenn wir mit jemandem sprechen, lesen wir gleichzeitig in seinem Gesicht. Wir sehen, ob die gesprochenen Worte mit der gezeigten Mimik zusammenpassen, ob das Gesamtbild stimmig ist. Ist es das nicht, dann wirken die Worte aufgesetzt, weil die Mimik etwas anderes widerspiegelt. Haben wir nicht die Möglichkeit, das ganze Gesicht zu sehen, dann irritiert uns das.

Dabei sind wir Menschen ja durchaus in der Lage, allein aus gesprochenen Worten einen Sinn zu erschließen und den Inhalt des Gesagten zu verstehen, auch ohne dass wir unseren Gesprächspartner direkt sehen. Wie viel schwerer muss es für unsere Hunde sein, die das nicht können, sondern einen Großteil ihrer Informationen in der Kommunikation mit uns aus unserer Mimik und Gestik ziehen, wenn wir unsere Augen hinter einer dunklen Sonnenbrille verstecken?

Sicherlich kann ein Hund lernen, allein auf ein gesprochenes Wort hin etwas Bestimmtes auszuführen. Da Hunde aber zunächst automatisch den kompletten Kontext mitlernen (also auch unsere Körperhaltung, unseren Blick sowie die gesamte Umgebung), muss man mit einem Hund gezielt üben, dass er wirklich nur auf das Wort reagiert und nicht noch mehr Signale braucht, um zu erkennen, was wir von ihm erwarten. Das kann er nicht von alleine.

Weiterhin besteht die Kommunikation mit Hunden nicht nur aus gelernten Signalen, sondern ein Hund und sein Mensch kommunizieren die gesamte Zeit. Zumindest kommuniziert der Hund mit seinem Menschen. Ob der Mensch das auch bemerkt und darauf eingeht oder sich typisch menschlich ignorant nur mit sich selbst beschäftigt oder Pokemons jagt, das ist natürlich eine andere Frage.

Ich möchte keinesfalls ein Sonnenbrillenverbot ausrufen. Im Gegenteil, Sonnenbrillen erfüllen wichtige Funktionen und sind ein oftmals notwendiger Schutz. Aber ich möchte Menschen dafür sensibilisieren, wie stark sich die Kommunikation mit ihrem Hund dadurch, dass ihre Augen nur noch seelenlose dunkle Gläser sind, verändert. Man darf sich einfach nicht wundern, wenn ein Hund auf einmal nicht mehr weiß, was „Sitz“ heißt, sobald sein Mensch eine Sonnenbrille trägt. Denn der komplett andere Gesichtsausdruck kann auch das gesamte Signal so verändern, dass der Hund es nicht mehr erkennt.

Um dem Hund gegenüber fair zu bleiben, wäre es vielleicht eine gute Idee, auf dem Spaziergang zumindest immer dann, wenn der Hund sich wirklich angesprochen fühlen soll, die Brille einmal kurz abzunehmen und dem Hund so die Deutung des Gesagten im mimischen Kontext zu erleichtern. Schließlich ist es für ihn ohnehin schon anstrengend genug, tagtäglich die Sprache einer anderen Art decodieren zu müssen, da sollten wir es ihm nicht noch zusätzlich erschweren.

(Inga Jung, Juli 2016)

 

Hundemenschen

 

Es gibt Menschen, die Hunde mögen, sie vielleicht zeitweise in ihr Leben integrieren und durchaus auch gut behandeln, die aber auch jahrelang ohne einen Hund leben können, ohne etwas zu vermissen.

Und es gibt Hundemenschen.

Hundemenschen fühlen sich von dem Tag an, an dem sie zum ersten Mal ihre Augen öffneten und einen Hund erblickten, auf geradezu magische Weise zu Hunden hingezogen. Befinden sie sich in einer Menschenmenge und sehen nur einen einzigen Hund dazwischen, dann bleiben sie unwillkürlich mit ihrem Blick an ihm hängen, und allein seine Anwesenheit zaubert ein Lächeln auf ihr Gesicht. Es ist, als hätten sie in der Menge einen Freund entdeckt.

Sitzen sie bei der Arbeit oder in der Schule, dann fühlen sie sich, als wären sie nur halb da. Kommen sie danach endlich wieder nach Hause und werden von ihrem Hund begrüßt, als wären sie eine Woche lang fort gewesen, dann fühlen sie sich endlich wieder vollständig. Dann ist alles wieder gut. Dann ist wieder zusammen, was zusammen gehört.

Hundemenschen können noch so schlecht gelaunt sein – wenn sie Kontakt zu einem Hund aufnehmen, geht ihr Herz auf und alle Sorgen sind vergessen. Sie gehören einfach zu Hunden, so wie Hunde zu ihnen gehören. Sie haben gar keine Wahl, sie sind nicht wirklich glücklich, wenn sie keine Hunde um sich haben. Es würde immer ein wichtiger Teil von ihnen fehlen.

Ein Hund spürt es sofort, wenn er einen Hundemenschen vor sich hat. Auch Hunde fühlen sich oft magisch zu Hundemenschen hingezogen. Es ist ein gegenseitiges Verstehen da, ein Wissen, das keine Worte braucht, ein unsichtbares Band zwischen ihnen, das niemand außer ihnen selbst sehen kann.

Ich wusste schon als kleines Kind, dass ich ein Hundemensch bin. Natürlich. Das weiß man einfach. Meine Eltern sind leider keine Hundemenschen, und so musste ich lange Jahre bitten und betteln und Überzeugungsarbeit leisten, bis sie einsahen, dass sie gar keine Wahl hatten, da ich einen Hund an meiner Seite brauchte.

Dabei war es doch von Anfang an unübersehbar. Wenn ich zeichnete, dann war auf so gut wie jedem Bild ein Hund zu sehen, egal, welches Thema in Kindergarten und Schule vorgegeben wurde. Oft habe ich gespielt, ich wäre ein Hund. Die Knie meiner Hosen waren dementsprechend schnell durchgescheuert, weil ich ständig auf dem Boden herumkrabbelte. Auch die meisten meiner Kindheitserinnerungen, die haften geblieben sind, hatten etwas mit Hunden zu tun. Zum Beispiel der Urlaub in dem Hotel in Italien, das einen Cocker Spaniel namens Winnetou hatte. Ich weiß nicht mehr viel von diesem Urlaub, aber an den Hund erinnere ich mich in allen Einzelheiten, erinnere mich, wie sein Fell sich anfühlte und wie glücklich ich war, wenn ich ihn kraulte.

Und ich hatte diesen Traum, in dem ich selbst ein Hund war und über eine grüne Wiese rannte. Es fühlte sich großartig an, so zu rennen, völlig euphorisch und frei. Dabei habe ich keine Ahnung, woher dieser Traum gekommen sein könnte, denn ich selbst war schon immer völlig unsportlich und bekam sofort Seitenstiche, wenn ich mal ein paar Meter rennen sollte. Ein eigenes Erlebnis kann das eigentlich nicht gewesen sein. Dieser Traum hat mich stark beeindruckt und ich erinnere mich noch genau daran, obwohl das jetzt fast 30 Jahre her ist.

Mir begegnen hin und wieder auch andere Kinder, bei denen ich mir sicher bin, dass sie Hundemenschen sind. Manchmal wissen ihre Eltern das schon, manchmal auch nicht. Es kam mehrfach vor, dass ich mit meinem Hund durch die Stadt ging und ein kleines Kind beim Anblick meines Hundes auf einmal glänzende Augen und diesen bestimmten, sehnsuchtsvollen Gesichtsausdruck bekam, vor Verzückung zu atmen vergaß und die Hände nach meinem Hund ausstreckte. Ich kenne dieses Gefühl, das hier zum Ausdruck kam, nur zu gut. Mir war sofort klar, dass ich einem Hundemenschen begegnet war. Manchmal sieht man es sogar bei Erwachsenen, dieses Strahlen in den Augen beim Anblick eines Hundes.

Es würde mich nicht wundern, wenn Forscher eines Tages ein bestimmtes Hundemenschen-Gen entdecken würden. Unter den verschiedenen Theorien zum Verlauf der Domestikation des Hundes gibt es auch eine, in der Wissenschaftler davon ausgehen, dass sich nicht nur der gemeinsame Vorfahr unserer heutigen Wölfe und Hunde im Zuge des Jahrzehntausende andauernden Domestikationsprozesses zum Hund entwickelt hat, sondern dass sich gleichzeitig auch die Menschen veränderten und neue Eigenschaften annahmen, welche sie dem Hund näher brachten. Ich finde diese Theorie faszinierend und auch sinnvoll, denn beispielsweise unsere Familienstruktur gleicht viel mehr der von Wölfen und Hunden, als der von anderen Primaten. Die damaligen Menschen waren sicherlich noch nicht so arrogant wie wir es heute sind und hielten sich noch nicht für die Krone der Schöpfung, sondern sie respektierten andere Tiere und waren bereit, sich Gutes und Nützliches von ihnen abzuschauen. Dies könnte durchaus eine Veränderung bewirkt haben, die uns ganz speziell den Hunden nahe brachte.

Das ist natürlich nur eine von vielen Theorien, für die es wenige Nachweise gibt, und vielleicht wird es nie wirklich aufgeklärt, was damals geschehen ist. Spannend finde ich die Diskussion aber allemal, denn wirklich rational erklären lässt sich diese starke Verbindung zwischen Hundemenschen und Hunden nicht, wenn man nicht die Geschichte der Menschheit, die seit mindestens 15.000, vermutlich sogar 30.000 Jahren eng mit der Geschichte der Hunde verknüpft ist, mit einbezieht.

Ich vertraue Hunden. Ich vertraue auf dieses unsichtbare Band zwischen uns, das schon mein gesamtes Leben lang existiert. Ich bin ein Hundemensch.

 

(Inga Jung, Juni 2016)

 

„Wir haben da so einen Problemhund“

 

Ich weiß nicht, wie oft ich diesen Satz am Telefon gehört und in E-Mails gelesen habe. Während meiner Zeit als Hundeverhaltensberaterin, aber auch jetzt noch erhalte ich immer wieder Anrufe von Menschen, deren erster Satz lautet: „Wir haben da so einen Problemhund zu Hause.“ Und oftmals war’s das dann auch schon. Mehr Info ist nicht nötig, der Hund ist ein Problemhund, damit ist doch alles gesagt.

Ich wundere mich immer wieder, wie konsequent Menschen sein können, wenn es darum geht, andere in eine Schublade zu packen und da nie wieder rauszulassen. Geht es aber um den Umgang mit dem Hund, dann ist Konsequenz wieder ein Fremdwort, und der arme Hund wird heute für das gleiche Verhalten gelobt, für das er morgen einen Satz heiße Ohren bekommt.

Problemhund scheint das neue Modewort zu sein, und das kommt sicher nicht von ungefähr. Einen Problemhund zu haben ist nämlich sehr bequem. Nicht ich habe Fehler gemacht, nicht ich stelle zu hohe Erwartungen an meinen Hund, nein, der Hund ist das Problem. Ein Problemhund eben. So, basta. Und jetzt, lieber Hundetrainer, tun Sie mal was dagegen, sonst kommt der ins Tierheim. Dann hol ich mir einen neuen Hund, der funktioniert bestimmt besser und ist nicht so ein Problemhund wie der alte.

Ich weiß, diese Schilderung klingt wie die Übertreibung des Jahrhunderts. Leider sieht genau so oft die Realität aus. Die gute Nachricht lautet: Die meisten Menschen mögen ihren Hund trotzdem irgendwie, mehr oder weniger. Und häufig steckt auch eine Menge Unsicherheit dahinter. Genau da muss man ansetzen.

Es gehört viel Fingerspitzengefühl dazu, in so einer Konstellation den Menschen auf freundliche Weise dazu zu bringen, seine Perspektive zu verändern und die Welt mal mit den Augen seines Hundes zu betrachten. Meiner Ansicht nach ist ein guter Hundetrainer jemand, der die Geduld und die rhetorischen Fähigkeiten hat, dies immer und immer wieder mit unterschiedlichen Menschen erfolgreich durchzuspielen, ohne dabei unfreundlich oder überheblich zu werden. Ist der Mensch erst einmal in der Lage, sich in seinen Hund hineinzuversetzen und nachzuvollziehen, warum er dieses Verhalten zeigt, dann hat man einen Fuß in der Tür. Zeigt sich der Mensch nun gesprächsbereit, dann ist der Weg zu einem gemeinsamen Training mit dem Hund, statt gegen ihn, geebnet.

Dieser Wandel in der Sichtweise ist für ein zufriedenes Zusammenleben von Mensch und Hund das Wichtigste. Der Mensch muss lernen, sich in seinen Hund hineinzudenken und mit ihm gemeinsam Lösungen zu finden, das Hauptaugenmerk auf seine positiven Eigenschaften zu legen und diese zu fördern. Dann wird auch das als problematisch empfundene Verhalten weniger werden, oder vielleicht wird es den Menschen einfach nicht mehr stören, weil er versteht, warum sein Hund sich so verhält. Diesen Wechsel in der Perspektive habe ich oft miterlebt, und so manche Beratungsstunde endete damit, dass die Menschen mir glücklich sagten, wenn das so sei wie ich es erklärt habe und der Hund aus diesen Gründen handele, dann sei das Verhalten gar kein Problem mehr für sie. Aber auch bei wirklich schwierigen Verhaltensweisen half das Verständnis für den Hund dem Menschen, das Training liebevoll und positiv aufzubauen, was zu einem nachhaltigeren Erfolg führte.

Warum ist das nun so, dass Hunde heutzutage so oft als „Problemhunde“ bezeichnet werden? Früher gab es das nicht. Ich kann mich nicht erinnern, in den 1980er- oder 1990er-Jahren mal das Wort „Problemhund“ gehört zu haben, obwohl die Hunde damals das gleiche Verhalten an den Tag legten wie heute. Aber meistens akzeptierten die Menschen das und lebten damit, dass ihr Hund bellte, bettelte oder die Besucher biss. Das war eben so.

Ich will jetzt nicht sagen, dass man so ein Verhalten auch heute noch einfach akzeptieren und damit leben sollte, schließlich ist man ja auch seinen Mitmenschen gegenüber in der Verantwortung, aber ein bisschen mehr Toleranz dem Hund und seinen Angewohnheiten gegenüber täte uns ganz gut.

Denn meiner Erfahrung nach glauben viele Menschen in erster Linie deswegen, ihr Hund sei problematisch, weil ihnen das irgendwelche selbsternannten Hundeprofis mit ihren perfekten Vorzeigehunden oder die zahlreichen Hundeerziehungssoaps im Fernsehen eingeredet haben. Dann werden die Leute unsicher und beginnen, an ihrem Hund und dessen Motiven sowie an der kompletten Beziehung zwischen ihnen und ihrem Tier zu zweifeln. Wenn es ganz schlimm kommt, sehen sie alles, was ihr Hund tut, aus einem negativen Blickwinkel und unterstellen ihm niedere Beweggründe, auf die nun wirklich nur ein Mensch kommen kann.

Würde es wieder in Mode kommen, Hunde so zu akzeptieren wie sie sind, mit all ihren persönlichen Stärken und Schwächen, dann gäbe es schlagartig keine „Problemhunde“ mehr, und viele Menschen wären wieder sehr viel glücklicher mit ihren vierbeinigen Familienmitgliedern.

(Inga Jung, Mai 2016)

 

Buchtipp: „Leben mit Hunden – gewusst wie!“

 

Lange Zeit habe ich auf ein Buch gewartet, das umfassend und allgemein auf das Leben mit Hunden und die Beziehung zwischen Mensch und Hund eingeht und dabei sowohl den aktuellen Stand der Wissenschaft als auch moderne Erziehungsmethoden berücksichtigt. Ein Buch, das mit alten Hüten wie Dominanz-, Rudel- und Rangordnungsmodellen aufräumt und zeigt, wie ein partnerschaftliches Zusammenleben von Mensch und Hund heutzutage funktionieren kann. Im April 2014 ist es endlich im Kynos Verlag erschienen: „Leben mit Hunden – gewusst wie!“

Leben mit Hunden

Das Buch wurde von einem Kollektiv verschiedener Autorinnen und Autoren aus dem deutschsprachigen Raum verfasst, die sich dem auf Lob und positiver Verstärkung basierenden Hundetraining verschrieben haben. Viele von ihnen kenne ich persönlich von gemeinsam besuchten Fortbildungen, denn ihnen allen ist Weiterbildung ein wichtiges Anliegen. Ohne die neuesten Erkenntnisse der Verhaltensforschung würde Hundetraining auf der Stelle treten, Trainer könnten sich nicht weiterentwickeln. Trainer, die keine Fortbildungen besuchen, sind hier lebendige – und warnende – Beispiele. Die ständige Vertiefung seines Wissens und Erweiterung seines Horizonts sind absolute Notwendigkeiten für einen Hundetrainer. Und ebenso wichtig ist es, dieses Wissen an die Hundebesitzer weiterzugeben. Dieses Buch ist ein wunderbarer erster Schritt, auch für Hundeanfänger, dem Thema näherzukommen.

Natürlich ist es nicht möglich, auf nur 180 Seiten alles Wissen über das Leben mit Hunden zu versammeln. Dass die Autorinnen und Autoren diese Herausforderung dennoch angenommen und versucht haben, kurz und knapp, aber doch aussagekräftig, einen Überblick zu schaffen, verdient Respekt. Ich selbst traue mich nicht, ein so umfassendes Thema in so einer engen Verpackung darzustellen, denn ich wäre mit dem Ergebnis niemals zufrieden. Es würden zu viele wichtige Aspekte fehlen. Aber wir brauchen ein solches Übersichtswerk, das leicht zu lesen ist, einen ersten Einblick verschafft und Lust darauf macht, tiefer in die Materie einzusteigen.

Vielen Dank an den Herausgeber Stefan Wittenfeld und all Autorinnen und Autoren für dieses Buch. Es hat vor seinem Erscheinen viel zu lange in meinem Regal gefehlt.

(Inga Jung, März 2016)

Vorschau: Mein Buch „Betreten verboten! Territorialverhalten bei Hunden verstehen“

Mein neues Buch erscheint im Herbst 2016!:

Betreten verboten! Territorialverhalten bei Hunden verstehen
Inga Jung

1. Auflage Herbst 2016
Kynos Verlag

Es gibt bisher wenige Bücher zum Thema Territorialverhalten bei Hunden, und die Bücher, die ich zu dem Themenbereich gefunden habe, waren leider qualitativ sehr schlecht. Ich fand daher, dass es an der Zeit ist, ein Buch über Territorialverhalten zu schreiben, welches sowohl die Hintergründe des Verhaltens erklärt und verständlich macht, als auch viele Praxistipps für unterschiedliche Situationen bereithält.

Dabei liegt mein Fokus selbstverständlich auf einem gewaltfreien Umgang mit dem Hund. Auch wenn Territorialverhalten häufig mit Aggressionsverhalten einhergeht, gibt es keinen Grund, als Mensch ebenfalls aggressiv zu reagieren. Es gibt viele Möglichkeiten, Territorialverhalten durch eine durchdachte Kombination aus Management und positivem Training, das Hund und Mensch Spaß bringt, im Alltag kontrollierbar zu machen, sodass von dem Hund keinerlei Gefahr ausgeht.

Wie man dies umsetzt, welche Situationen speziell beachtet werden müssen, wie man vorausschauend agiert und vieles mehr werde ich in meinem neuen Buch beleuchten.

Obwohl es sich um Hunde aller territorial veranlagten Rassen und Mischlinge drehen wird, sehe ich mein neues Buch unter anderem auch als Ergänzung zu meinem 2011 erstmals erschienenen Buch „Unser Hund – Der Australian Shepherd“, das gerade in der 4. Auflage gedruckt wird. In meinem ersten Buch konnte ich aus Platzgründen nicht ausführlich genug auf das Thema Territorialverhalten eingehen. Ich habe dies im Grunde immer nur kurz angesprochen, aber es hätte den Rahmen des Buches gesprengt, ins Detail zu gehen. Nun wird in diesem Jahr mit meinem neuen Buch endlich eine ausführliche Besprechung des Territorialverhaltens erscheinen, die aufzeigt, was einen mit einem territorial motivierten Hund erwarten wird und wie man damit umgehen sollte. Für Freunde meines Buches über den Australian Shepherd ist mein neues Buch eine absolute Empfehlung zum Weiterlesen.

Freuen Sie sich auf den Herbst!

(Inga Jung, Februar 2016)

Buchtipp: „Leben will gelernt sein“

 

In diesem Artikel möchte ich das Buch „Leben will gelernt sein. So helfen Sie Ihrem Hund, Versäumtes wettzumachen“ von Wibke Hagemann und Birgit Laser vorstellen, erstmalig 2013 im Birgit Laser Verlag erschienen und inzwischen in der 3. Auflage erhältlich.

Leben will gelernt sein

In dem Buch geht es in erster Linie um Hunde, die mit dem Deprivationssyndrom zu kämpfen haben. Das Deprivationssyndrom ist keine Krankheit, sondern man kann es als Entwicklungsstörung des Gehirns und des Nervensystems beschreiben. Obwohl die Ursachen bekannt sind, trifft man leider in zunehmendem Maße auf Hunde, die davon betroffen sind.

Von einer Deprivation spricht man, wenn Hunde oder andere sozial lebende Tiere (das schließt auch den Menschen ein) in ihrer Jugendzeit zu wenige Erfahrungen mit Sozialpartnern und der Umwelt gemacht haben. Gerade bei Hunden, die während der Welpenzeit eine sensible Phase durchlaufen, während der die wichtigsten Nervenverknüpfungen im Gehirn gebildet werden, ist es enorm bedeutend, diese Zeit zu nutzen und den Welpen möglichst viele positive Erlebnisse mit verschiedenen Menschen, Tieren, Geräuschen und Orten zu bieten.

Hat ein Hund während dieser wichtigen Zeit zum Beispiel so einfache Dinge wie Gras, Bäume oder den blauen Himmel nicht kennen gelernt, dann kann es sein, dass er in seinem späteren Leben davor Angst hat. Noch schwieriger wird es, wenn er auch keine Menschen und anderen Hunde kennen gelernt hat, denn diese bewegen sich und machen Geräusche, nähern sich ihm und erschrecken ihn vielleicht sogar. Eine vorsichtige Annäherung und eine spätere Gewöhnung sind hier noch schwerer zu bewerkstelligen als bei einem unbewegten Objekt wie einem Baum.

Hunde, denen diese wichtigen Erfahrungen fehlen, kommen oft von Massenzüchtern, die nur aufs Geld aus sind. Vom Deprivationssyndrom betroffen sind auch alle ehemaligen Versuchstiere aus den Laboren der Pharmakonzerne. Und oft sind auch Welpen im Zwinger eines Tierheimes oder einer Tötungsstation im Ausland aufgewachsen, oder neuerdings sogar wieder in deutschen Zoohandlungen, und haben dort die wichtigste Zeit ihres Lebens hinter Gittern verbracht, ohne die Chance, die Welt zu entdecken.

Diesen Tieren fehlen wichtige Voraussetzungen, um sich an veränderte Lebensbedingungen anzupassen. Ihr Gehirn ist dafür nicht gut genug trainiert. Sie sind schnell überfordert, reagieren ängstlich oder aggressiv, manche werden hyperaktiv, andere ziehen sich zurück und verstecken sich. Die meisten von ihnen haben mit großen Ängsten zu kämpfen.

Das Buch „Leben will gelernt sein“ nimmt sich diesen Hunden an und gibt zahlreiche wertvolle Praxistipps. Angefangen bei ganz praktischen Dingen wie dem richtigen Geschirr und der bei Angsthunden oft notwendigen doppelten Sicherung für den Spaziergang, über Stressmanagement, der Bedeutung von Schlaf, Entspannungstraining und Tipps für den Alltag, werden auch viele eigene Erfahrungen der Autorinnen mit eingebracht. Sie gehen auf die Ursachen von Angst und Stress ein und darauf, wie man mit diesem Hintergrundwissen dagegen ansteuern kann. Das Clickertraining, das bei richtiger Anwendung einem Hund viel Selbstbewusstsein vermitteln kann, wird ausführlich besprochen und verschiedene Übungssituationen vorgestellt. Aber es wird auch nicht vergessen zu erwähnen, dass bei allem Training doch eines im Vordergrund stehen sollte: die Vermittlung von Sicherheit, Geborgenheit und Vertrauen.

Ich finde das Buch ganz wunderbar und halte es auch für eine sehr gute Ergänzung meines eigenen Buches „Zappelhunde – Vom Leben mit überaktiven Hunden“ (Kynos Verlag 2014), da hier sehr viele Praxistipps vermittelt werden, während mein Buch den Fokus eher darauf legt, Verständnis für überaktive oder hyperaktive Hunde zu wecken und aufzuzeigen, dass unter anderem auch das Deprivationssyndrom solche Verhaltensweisen hervorrufen kann. Das bedeutet, ein Hund ist nicht nur das „Produkt“ seiner Menschen, sondern er bringt auch gewisse genetische und erfahrungsbedingte Voraussetzungen von sich aus mit, die nicht immer günstig sind und mit denen man manchmal nicht ganz so leicht zurechtkommt. Dennoch darf man sich nicht entmutigen lassen, denn man kann mit Liebe und Geduld sehr viel erreichen. Wie genau das in der Praxis funktioniert, beschreibt dieses Buch.

(Inga Jung, Februar 2016)

Buchtipp: „Frühförderung für Welpen“

 

„Frühförderung für Welpen. Der Züchter hat es in der Hand“ von Madeleine und Rolf C. Franck, Cadmos Verlag 2014.

Frühförderung für Welpen

Das Buch „Frühförderung für Welpen“ richtet sich in erster Linie an Züchter und Menschen, die aus irgendwelchen Gründen – sei es, dass mit der eigenen läufigen Hündin ein „Unfall“ passiert ist, oder dass eine trächtige Hündin im Tierschutz landet und dort ihre Welpen zur Welt bringt – in die Situation kommen, sich um einen Wurf Welpen kümmern zu müssen. Aber auch alle Menschen, die mit dem Gedanken spielen, sich einen Welpen ins Haus zu holen, profitieren von dem vermittelten Grundlagenwissen, denn es hilft, die typischen Fehler angehender Hundehalter bei der Auswahl des richtigen Züchters und des passenden Hundes zu vermeiden.

Insbesondere für Züchter, die die Geburt der Welpen und deren erste Erfahrungen planen und sich speziell darauf vorbereiten können, ist dieses Buch aber ein absolutes Muss. Es vermittelt vor dem Hintergrund der neuesten Forschung alles an Wissen, das ein Züchter – ob Neuzüchter oder mit jahrzehntelanger Erfahrung ist dabei völlig egal – besitzen muss, um seinen Hundebabys den bestmöglichen Start ins Leben zu ermöglichen.

Dabei setzt das Buch nicht erst nach der Geburt der Welpen an, sondern die Autoren gehen auch auf die starken negativen Auswirkungen ein, die beispielsweise Stress der Mutterhündin während der Trächtigkeit haben kann. Bereits mit dem ersten Tag der Trächtigkeit ist der Züchter in der Pflicht, auf seine Hündin gut zu achten, ihr viele positive Erfahrungen zu ermöglichen und negativen Stress von ihr fernzuhalten, da alles, was sie jetzt erlebt, sich direkt auf die Welpen auswirkt.

Nach der Geburt der Welpen beginnt dann eine arbeitsreiche Zeit. Es wird beschrieben, wie der Züchter die Welpen täglich altersentsprechend fördern sollte, um sie bestmöglich zu sozialisieren, an ihre Umwelt und Alltagsgeräusche zu gewöhnen und Neuem gegenüber aufgeschlossen zu machen. Alles, was der Züchter in den ersten Lebenswochen der kleinen Hunde schon an Vorarbeit leisten kann, sollte auch getan werden, damit die Familie, in die der Welpe zieht, nicht bei null anfangen muss und sich im Zweifel mit einem überängstlichen Hund konfrontiert sieht, dessen Aufzucht sie überfordert.

Das Umfeld, in dem unsere Hunde leben und zurechtkommen müssen, hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Es werden höhere Anforderungen an die Umweltsicherheit und Sozialverträglichkeit von Hunden gesetzt, als es jemals zuvor der Fall war. Auch wenn ein Züchter schon jahrzehntelange Erfahrung hat, muss er doch berücksichtigen, dass die Zeiten sich ändern und ein Welpe, der im Zwinger aufgewachsen ist und in den ersten acht Lebenswochen nichts anderes kennengelernt hat, was vor 30 Jahren noch Standard war, heutzutage einen sehr schweren Start ins Leben haben wird.

Daher empfehle ich auch „alten Hasen“, dieses Buch nicht abzutun, sondern offen für die Empfehlungen zu sein und auch mal etwas Neues auszuprobieren. Die Welpen werden es ihnen danken. Und für alle Neuzüchter gilt: Dieses Buch gelesen zu haben und immer griffbereit zum Nachschlagen dabeizuhaben ist Pflicht!

(Inga Jung, Dezember 2015)

Was uns Star Wars über das Leben mit Hunden lehrt

 

Ich gehöre zu der Generation, die mit den drei alten Star Wars Filmen aufgewachsen ist. Wir haben mit Han Solo, Prinzessin Leia und R2D2 mitgefiebert und uns über den Jammerlappen Luke Skywalker aufgeregt.

Auch heute noch sehe ich die alten Filme gerne und entdecke immer wieder neue Aspekte, je nach Blickwinkel. Neulich stolperte ich über den Dialog zwischen dem alten Jedi-Meister Yoda und Luke Skywalker:

Yoda: „Hüte dich vor der dunklen Seite der Macht.“

Luke: „Ist die dunkle Seite stärker?“

Yoda: „Nein. Sie ist schneller. Leichter. Verführerischer.“

Nachdenklich überlegte ich, ob man das nicht ganz genau so auch über das Hundetraining sagen kann. Ich bin im Laufe der Jahre vielen Hundebesitzern begegnet, die es mit einem positiv aufgebauten Training versucht haben, dann aber doch wieder auf Strafen umgeschwenkt sind, weil es ihnen leichter fiel und so aussah, als sei die Wirkung schneller da. Oder weil ihnen das im Fernsehen suggeriert wurde. Es sieht auf den ersten Blick auch wirklich oft so aus, als ob es schneller ginge, denn Strafen hemmen natürlich das Verhalten des Hundes und unterdrücken seine Impulse. Zumindest kurzfristig.

Langfristig ist der Erfolg eines positiv aufgebauten Trainings besser, sowohl für die Motivation des Hundes zum Mitmachen, als auch für die Beziehung zwischen Mensch und Hund. Aber das Training langsam und überlegt aufzubauen und durchzuhalten, bis sich Erfolge abzeichnen, das fällt vielen Menschen schwer. Sie wählen dann doch lieber den Verhaltensabbruch durch Strafe. Denn das ist schneller. Leichter. Verführerischer. Aber auch trügerisch und gefährlich, genau wie die dunkle Seite der Macht.

Wir Hundebesitzer können noch mehr von den Star Wars Filmen lernen. Luke Skywalker handelt zuerst impulsiv und unüberlegt. Er ist zornig, hektisch, gerät schnell aus der Fassung. Er ist noch weit davon entfernt, ein Jedi zu werden. Auch wir Hundebesitzer sind nicht perfekt, aber wir können, ebenso wie Luke, dazulernen, wenn wir nur wollen.

Ein Jedi hat seine Impulse unter Kontrolle und ruht vollkommen in sich. Er handelt niemals unüberlegt und denkt immer einige Schritte voraus. Er lässt sich nicht provozieren. Hass, Neid und Wut haben keinen Platz in seinem Leben. Er tut stets Gutes und handelt, nach bestem Wissen und Gewissen, zum Wohl der Allgemeinheit.

Ich glaube, unsere Hunde würden sich wünschen, dass ihre Menschen ein bisschen was von einem Jedi hätten. Hunde bewundern Menschen, die ruhig und gelassen durchs Leben gehen und sich von nichts und niemandem aus ihrem seelischen Gleichgewicht bringen lassen. Solchen Menschen zu vertrauen fällt nicht schwer.

Schauen wir doch alle mal, ob wir nicht den Jedi in uns entdecken. Unseren Hunden zuliebe.

(Inga Jung, Oktober 2015)

Aktion „Gelber Hund“

 

Seit etwa drei Jahren gibt es sie nun schon, die Aktion „Gelber Hund“. Die Idee dahinter ist, einen Hund, der mehr Abstand zu anderen Hunden braucht, durch eine gelbe Schleife oder ein gelbes Halstuch zu kennzeichnen, damit schon von weitem erkennbar ist, dass dieser Hund gerade keinen direkten Hundekontakt möchte.

Die Gründe können vielfältig sein: zum Beispiel ist der Hund durch eine Operation, eine Krankheit oder das Alter geschwächt oder hat Schmerzen und möchte deshalb nicht von anderen Hunden angerempelt werden – auch nicht auf freundlich gemeinte Weise.

Es könnte auch eine läufige Hündin sein oder ein Hund, der insgesamt eine große Individualdistanz hat und direkten Kontakt zu anderen Hunden nicht besonders schätzt. Oder der Hund hat schlechte Erfahrungen gemacht oder ist ungenügend sozialisiert und reagiert daher aus Unsicherheit aggressiv auf andere Hunde. Oder er hat eine ansteckende Krankheit.

Es ist ja eigentlich auch völlig egal, aus welchem Grund ein Hund Distanz zu anderen, ihm fremden Hunden braucht. Niemand sollte sich deswegen rechtfertigen müssen. Es ist eben so wie es ist. Die gelbe Farbe soll signalisieren, dass dem so ist und dass entgegenkommende Hunde bitte angeleint und auf Abstand gehalten werden sollten.

Ich finde diese Idee ganz wunderbar. Nur bezweifle ich, dass sie viel nützen wird. Denn die Realität sieht doch leider so aus:

Ich bin mit meiner Hündin, die ganz und gar keinen Wert auf direkten Kontakt zu fremden Artgenossen legt, unterwegs und mir kommt eine Hundehalterin mit ihrem freilaufenden Hund entgegen. Ich nehme meine Hündin an die Leine. Eigentlich sollte das allein vollkommen ausreichen, damit die mir entgegenkommende Person ihren Hund ebenfalls ohne große Umschweife anleint. Aber nein, keine Reaktion.

Ich suche nach einer Einbuchtung oder einem kleinen Trampelpfad, auf den ich ausweichen könnte, um nicht direkt auf den anderen Hund zuzusteuern, denn das würde meine Hündin bereits als Provokation deuten. Da ist leider nichts zu sehen, also drücke ich mich so weit es geht mit meinem Hund ins Gebüsch, lasse ihn sich setzen und schirme ihn mit meinen Beinen ab, um ihm Distanz zu dem hoffentlich gleich anstandslos vorbeigehenden Hund zu schaffen. Die mir entgegenkommende Hundebesitzerin zeigt immer noch null Reaktion.

Da sie nun schon recht nah ist, rufe ich ihr höflich entgegen: „Nehmen Sie bitte Ihren Hund an die Leine?“ Natürlich kommt prompt die patzige Antwort: „Wieso denn?“

Naja, inzwischen ist es eh zu spät. Der Hund hat uns entdeckt und kommt direkt auf mich und meine Hündin zu gerannt. Die Frau versucht halbherzig, ihn zu rufen, aber jetzt hört er natürlich nicht mehr. Er bleibt einen Zentimeter vor der Nase meiner Hündin stehen. Und meine Hündin rastet selbstverständlich völlig aus, angesichts dieser dreist direkten, viel zu schnellen, viel zu nahen und überhaupt in ihren Augen aggressiven Annäherung.

Ich weiß nicht, wie oft uns exakt diese Begegnung schon widerfahren ist. Ich kann es gar nicht mehr zählen, es war schon viel zu oft. Und jedes Mal ist ein Mal zu viel, denn es ist einfach nur unnötig und frustrierend für mich und meine Hündin, und dem anderen Hund tut der Schreck auch nicht wirklich gut.

Ich fürchte, wenn die Menschen schon auf die geballte Ladung körpersprachlicher Zeichen und eindeutiger sprachlicher Hinweise absolut keine Reaktion zeigen, dann wird so eine gelbe Schleife auch nicht viel nützen. Wenn man Pech hat, kommen sie dann erst recht mitsamt ihrer freilaufenden Hunde dicht heran, um einen zu fragen, warum der Hund denn so hübsch dekoriert ist. „Hat der Geburtstag? Komm, Bello, wir gehen da mal hallo sagen.“

Nein, meine Hündin möchte Bello nicht „hallo“ sagen. Meine Hündin möchte Bello viel eher „verschwinde aus meinem Revier und lass dich hier nie wieder blicken“ sagen.

Nicht jeder Hund ist so gesellig wie Bello. Nicht jeder Hund legt viel Wert auf Hundebekanntschaften. Manche Hunde sind froh, wenn andere sie einfach in Ruhe lassen. Aber es gibt leider Menschen, die das nie begreifen werden, und gegen die wird auch eine gelbe Schleife nichts ausrichten können. Ausprobieren kann das aber natürlich jeder gern. Vielleicht spricht es sich eines Tages wirklich so weit herum, dass auch Bellos Frauchen es begreift.

(Inga Jung, August 2015)