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Bist du noch Hundebesitzer oder schon Hundefreund?

Wer die Einleitung zu meinem letzten Buch kennt, das im Jahr 2016 erschien, der weiß, dass ich mir schon seit Längerem Gedanken über gewisse Begrifflichkeiten mache. Ich meine insbesondere das Wort „Hundebesitzer“, oder auch „Hundehalter“.

Natürlich ist es rein rechtlich gesehen klar. Ich kaufe einen Hund, er ist mein Eigentum. Aber die Beziehung zum Hund sollte doch weit darüber hinausgehen. Ein Hund ist ein Freund, ein geliebtes Familienmitglied. Wir erwachsenen Menschen nehmen dem Hund gegenüber eine Elternrolle ein, und das ganz ohne vermenschlichen zu müssen. Denn genau dies ist die Rolle, in der unsere Familienhunde uns in aller Regel sehen.

Man könnte natürlich sagen, es ist doch egal, wie man es nennt, das hat doch nichts mit der Beziehung zum Hund zu tun. Aber das ist bedauerlicherweise oft nicht zutreffend. Worte schaffen Bilder im Kopf und Emotionen. Und es erzeugt unterschiedliche Bilder und Gefühle, je nachdem, ob ich von jemandem als mein Eigentum spreche, oder ob ich ihn einen Freund nenne.

Eigentum und Besitz sprechen wir pauschal keine Emotionen zu. Mit Eigentum kann man machen, was man will, und das ist auch in Ordnung so, weil es kein eigenes Gefühlsleben hat. Mein Sofa ist nicht traurig, wenn ich es nach einer langen Nutzungsdauer irgendwann auf den Müll werfe und mir etwas Neues kaufe.  

Bei einem Freund und Familienmitglied ist das anders. Einen Freund kann man verletzen, einen Freund muss man gut behandeln. Die Beziehung zu Freunden und Familie sollte von Liebe und gegenseitigem Respekt geprägt sein. Und unsere Hunde gehören definitiv zu dieser Gruppe, und nicht zur Ersteren.

Ich finde es sehr traurig, dass wir Menschen uns anmaßen, andere Tiere immer noch wie Gegenstände zu behandeln; zu kaufen und zu verkaufen, sie den Kindern zu Weihnachten zu schenken und dann einfach wieder wegzugeben, wenn die Familie keine Lust mehr auf sie hat. Dass wir andere Tiere für zahlreiche Zwecke missbrauchen und ihnen dafür sogar noch spezielle, ganz besonders abwertende Namen geben. Das ist kein Hund, das ist ein Versuchstier. Das ist kein Kälbchen, das ist ein Nutztier. Das ist keine Maus, das ist ein Futtertier. Das ist kein Fisch, das ist ein Köder. Damit haben wir im Handumdrehen fühlende Lebewesen zu Gegenständen gemacht, die wir nach Belieben ausbeuten und töten können, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Denn es war doch schließlich nur ein Nutztier. Die Schlange im Zooladen hatte Hunger, tja, Pech für die Maus, sie ist schließlich nur ein Futtertier.

Die Gedankenlosigkeit, mit der wir hierbei vorgehen, finde ich beängstigend und abscheulich. Diese Art, Lebewesen durch eine reine Umbenennung ihre Persönlichkeit zu nehmen und sie zu einer Sache zu degradieren, erinnert  mich auf unheilvolle Weise an die Vorgänge im Dritten Reich. Damals wurden die gleichen Muster benutzt. „Lebensunwertes Leben“ war damals ein Begriff, der den Menschen suggerierte, dass man mit den Ermordeten kein Mitleid zu haben braucht. Was die Opfer darüber dachten, wurde natürlich nicht zur Sprache gebracht. Und genau so gehen wir bis heute mit den Tieren um. Genau die gleichen Mechanismen benutzen wir bis heute. Nur ist das vielen von uns gar nicht bewusst.

Dabei haben unsere Familienhunde noch Glück, denn auch wenn wir weiterhin von Hundebesitzern sprechen, werden die meisten Hunde von ihren Menschen geliebt und müssen nicht befürchten, das grausame Schicksal eines Versuchstiers oder eines Nutztiers erleiden zu müssen. Aber mir ist es wichtig, dass wir uns klar machen, was unsere Sprache in uns auslöst. Was Worte alles bewirken können. Wenn wir uns das immer wieder vor Augen führen, dann laufen wir auch nicht so schnell Gefahr, abzustumpfen und auf abwertende Worte hereinzufallen.

Die Bilder, die die Worte erzeugen, wenn man sie ausspricht, haben mich schon vor vielen Jahren davon überzeugt, dass es wichtig ist, vorsichtig damit umzugehen. Ich rede und schreibe seit Längerem auch nicht mehr von Hundebesitzern. Ich nenne sie beispielsweise Menschen mit Hund, Hundemenschen, Hundefreunde, je nach Kontext. Es erzeugt einfach eine freundlichere Grundhaltung dem Hund gegenüber, und es drückt Respekt vor dem Hund als denkende, fühlende Persönlichkeit aus.

Diesen Respekt sollten wir alle uns bewahren, um unsere Hunde Tag für Tag wirklich fair und gut zu behandeln. Sie haben es vierdient.

(Inga Jung, April 2021)

Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr

Der Hund ist „des Menschen bester Freund“, so sagt man. Und in vielen Fällen kann man dieser Aussage nur zustimmen. Doch sollte eine gute Freundschaft bekanntlich gegenseitigen Respekt beinhalten, ein ausgeglichenes Verhältnis von Geben und Nehmen und Rücksichtnahme auf die Bedürfnisse des anderen.

Wer sich aber so anschaut, wie viele Hunde hierzulande „erzogen“ werden, wobei immer noch Strafmaßnahmen aus vergangenen Jahrhunderten wie Nackenschütteln, in die Seite kneifen, an den Ohren ziehen, Würgehalsbänder sowie Schellen und Spritzflaschen zum Erschrecken ganz normaler Alltag sind – von Schlägen, Tritten und Stromschlägen reden wir mal gar nicht, obwohl auch das vorkommt und sogar immer noch von einigen Trainern empfohlen wird –, kommt nicht umhin zu denken, wer solche „Freunde“ hat, der braucht wahrlich keine Feinde mehr.

Ganz besonders verwerflich, da dieser Bereich von unserem Tierschutzgesetz kaum reglementiert ist und die Täter ohne Strafen zu erwarten quasi alles tun dürfen, wozu sie Lust haben, sind die Tierversuche. Natürlich alles im Namen der „Wissenschaft“. Jeder Tierversuch muss in Deutschland beantragt und genehmigt werden, aber es werden nur sehr wenige Vorhaben abgelehnt. Diese Grauzone der völlig legalen Tierquälerei betrifft alle Tiere, vom Wasserfloh über den Nacktmull bis zum Kamel. Die Menschen lassen keine Möglichkeit aus, für ihren makabren „Wissensdurst“ (oder ist es am Ende doch nur die Lust am Quälen?) Tiere leiden zu lassen. An Hunden werden insbesondere Toxizitäts-Tests (also Tests auf Giftigkeit von Substanzen) vorgenommen. Das ist auch ganz öffentlich. Man kann es z.B. in der Packungsbeilage des Mittels Simparica Sarolaner (ein Insektizid, das Hunde in Tablettenform bekommen) nachlesen. Ich zitiere:

„In einer Sicherheitsstudie wurde das Tierarzneimittel 8 Wochen alten Beagle-Welpen in Dosierungen entsprechend des 0-, 1-, 3- und 5-fachen der maximalen Behandlungsdosis von 4 mg/kg in Intervallen von 28 Tagen 10 mal oral verabreicht. Beim der maximalen Behandlungsdosis von 4 mg / kg wurden keine Nebenwirkungen beobachtet. In der Gruppe der Überdosierungen wurden bei einigen Tieren vorübergehende und selbstlimitierende neurologische Symptome beobachtet: leichter Tremor beim 3-fachen der maximalen Behandlungsdosis und Konvulsionen beim 5-fachen der maximalen Behandlungsdosis. Alle Hunde erholten sich ohne Behandlung wieder. Sarolaner wurde von Collies mit defektem ‚Multidrug-Resistance-Protein 1‘ (MDR1 -/-) nach einmaliger oraler Verabreichung des 5-fachen der empfohlenen Dosis gut vertragen. Behandlungsbedingte klinische Symptome wurden nicht beobachtet.“

Im Klartext: Hier wurden also 8 Wochen alten Welpen starke Überdosierungen dieses Mittels gegeben, von dem noch nicht bekannt war, wie es wirken würde. Die 5-fache Dosis wurde einem Hundebaby verabreicht und danach wurde beobachtet, ob der Kleine Zuckungen (bei der 3-fachen Dosis), Störungen des Nervensystems, Anfälle oder Krämpfe (das sind die besagten „Konvulsionen“ bei der 5-fachen Dosis) erleidet oder womöglich stirbt (was dann vermutlich bei der 6-fachen Dosis passiert ist).

Hätten die Collies mit MDR1-Defekt das Mittel nicht vertragen, wären sie übrigens ganz elendig krepiert. – Glück gehabt, kann man da nur sagen.

Und das tun wir Menschen unseren besten Freunden an. Nicht gerade vertrauenerweckend, oder?

Im Kieler Tierheim, wo ich als Gassigeherin regelmäßig mit den Hunden unterwegs bin, landen immer wieder ganze Gruppen von Hunden, die aus schlechter Haltung befreit und von der Polizei beschlagnahmt wurden. Viele dieser Hunde haben ihr gesamtes Leben in einem Schuppen oder einer Wohnung verbracht und niemals die Welt draußen kennenlernen dürfen. Sie erschrecken vor allem, haben Angst vor Gras und dem Himmel, vor Menschen, vor Autos, vor Bäumen, vor Mülleimern … Die Liste ist beliebig erweiterbar.

Wie kommen Menschen dazu, Hunden so etwas anzutun? Es gibt viele Ursachen, die Psychologen schon für Animal Hoarding herausgefunden haben, aber sie haben alle eines gemeinsam: Selbstbezogenheit und die Unfähigkeit, sich in andere Lebewesen hineinzuversetzen. – Das können die meisten Hunde tatsächlich besser als so manche Menschen. Und für alle Zweifler: Ja, das wurde schon wissenschaftlich nachgewiesen. Hunde können durchaus Empathie empfinden.

Was mich ebenfalls in letzter Zeit immer stärker beschäftigt, ist die zunehmende Bereitschaft der Menschen, schon bei Kleinigkeiten Anzeige zu erstatten. Ohne die Folgen zu bedenken. Oder es ist ihnen einfach egal, ich weiß es nicht.

Da bellt ein Hund einen Radfahrer an, der erschreckt sich und fällt hin. Okay, das kann passieren. Aber nein, es wird sofort Anzeige erstattet. Der Hund und der Halter werden vom Ordnungsamt überprüft, vielleicht kommt es sogar zu einem Gerichtsverfahren. Und wenn der Hund ganz viel Pech hat, wird er als „gefährlich“ eingestuft und landet im Tierheim, weil sein Halter die Auflagen nicht erfüllen kann oder will. Nur wegen so einer Lappalie.

Was hätte der Radfahrer denn gemacht, wenn er sich vor einem plötzlich mit Blaulicht an ihm vorbeifahrenden Rettungswagen erschreckt hätte? Hätte er den auch angezeigt?

Es ist so viel Hass in den Menschen. Hass auf andere Menschen, Hass auf Tiere, Hass auf die ganze Welt. Alle sind scheiße, nur ich selbst nicht. Ich verstehe es nicht. Ich kann so etwas nicht begreifen.

Leben und leben lassen. Einfach mal etwas Toleranz zeigen. Akzeptieren, dass andere genauso wenig perfekt sind wie man selbst. Und das beziehe ich jetzt nicht nur auf Menschen untereinander, sondern auch auf die Beziehung zu unseren Hunden. Auch von Hunden darf man keine Perfektion erwarten, sie sind schließlich „auch nur Menschen“.

Wann ist uns diese Fähigkeit zur Toleranz abhandengekommen? Manchmal habe ich fast den Eindruck, dass die Geburt von Internet-Plattformen wie Facebook sehr stark damit verbunden ist. Nirgendwo findet man so viel ungehemmten Hass wie dort. Und Hass hat leider die unangenehme Eigenschaft, sich zu vermehren. Je mehr Menschen hasserfüllte Kommentare lesen, desto heftiger wird die Wut.

Ich hoffe nur, dass nicht unsere Tiere letzten Endes – wie es leider meist so ist – diejenigen sind, die unseren Hass und unsere Wut abbekommen. Denn wir müssen uns immer wieder das Eine vor Augen führen: Unsere Hunde glauben wirklich, dass wir ihre besten Freunde sind. Auch wenn wir Menschen uns ihnen gegenüber mal wieder wie die letzten Arschlöcher verhalten. Die Liebe eines Hundes, einmal gefasst, ist unerschütterlich. Und was bleibt ihm auch übrig? Er hat ja nur uns. Lasst uns diese Macht über ihn bitte niemals missbrauchen.

(Inga Jung, November 2019)

Utopie

 

Was wäre, wenn es auf einmal auf der Erde eine Spezies gäbe, die genauso grausam und erfindungsreich wäre wie der Mensch? Sagen wir, diese Spezies nennt sich „Abc“.

Diese Abcs würden anfangen, Menschen zu züchten, sie gegen ihren Willen zu verpaaren und so viele Kinder wie möglich bekommen zu lassen. Die meisten Menschen, die so in Massen produziert werden, nennt die Spezies Nutz-Menschen.

Den Müttern wird ihr Baby kurz nach der Geburt weggenommen, damit ihre Milch abgezapft werden kann, bis sie erneut ein Kind erwarten und sich das Ganze wiederholt.

Wer keine Kinder mehr bekommen kann, wird auf einen Transporter geladen und in einem von vielen riesigen Todeshäusern qualvoll und unter großer Angst ermordet. Wer noch genießbar ist, wird zu Fleisch und Wurst verarbeitet. Ansonsten wird aus der Haut der Menschen Leder gemacht, mit dem Möbel und Autositze bezogen und Schuhe angefertigt werden.

Die Kinder der Nutz-Menschen werden einige Jahre lang auf engstem Raum zusammengedrängt in Hallen am Leben gehalten und gemästet, dann werden auch sie auf Transporter geladen und nach einer oft stundenlangen Fahrt in Hitze und Enge in einem der Todeshäuser ermordet.

Die Jungs werden nach einigen Monaten kastriert, damit ihr Fleisch zarter wird. Aus Kostengründen wird ohne Betäubung kastriert. Schmerzmittel gibt es auch keine, es sind ja nur Nutz-Menschen, für deren Wohlergehen sich kaum jemand interessiert, und die Schmerzmittel würden die Qualität des Fleisches beeinträchtigen.

Einige Millionen Menschen werden für Versuchslabore abgezweigt oder sogar speziell dafür gezüchtet. In den Laboren werden sie mit grausamen Experimenten gefoltert, die sie meist nicht überleben. Wenn gerade keine Experimente stattfinden, vegetieren sie in klinisch sauberen komplett gefliesten Gefängniszellen ohne Sonnenlicht vor sich hin.

Die meisten von uns werden niemals älter als 20 Jahre werden, viele sterben schon im Kleinkind-Alter, denn die Spezies hat einen enormen Hunger auf unser Fleisch, und das schmeckt nun einmal nicht mehr, wenn wir alt werden. Außerdem wäre es zu kostenintensiv, so viele Menschen zu lange durchzufüttern. Wir dürfen nur so lange leben, bis wir unser optimales Schlachtgewicht erreicht oder genügend Kinder geboren haben. Aber das Leben, das wir haben, ist ohnehin mehr ein Dahinvegetieren. Wir sehen niemals die Sonne und spüren niemals das Gras unter den Füßen. Wir leben auf Plastikboden und hocken in unseren eigenen Fäkalien.

Dann gibt es ein paar besondere Menschen, die von der uns beherrschenden Spezies im Haus gehalten werden. Diese nennt man Haus-Menschen. Meist werden sie im Kleinkindalter ins Haus gebracht, weil sie dann besonders anpassungsfähig sind. Manche werden gut behandelt, andere werden als Spielzeug für den Nachwuchs angeschafft, manche werden geschlagen und missbraucht. Wer Glück hat, kommt zu einigermaßen netten Vertretern der Abcs, aber wer Pech hat, kommt zu besonders grausamen, und denen ist er dann sein Leben lang komplett ausgeliefert. Oft werden die Haus-Menschen mit dem Fleisch von Nutz-Menschen gefüttert, unter anderem weil das durch die Massenmenschenhaltung sehr günstig zu bekommen ist. Diese privilegierten Haus-Menschen leben häufig in Käfigen und entwickeln dann Verhaltensstörungen, aber zumindest werden sie nicht ermordet. Wer in der Lage ist, sich an dieses unnatürliche Leben anzupassen, der kommt einigermaßen gut zurecht.

Eine relativ kleine Gruppe Menschen darf in den Feldern und Wäldern frei leben, man nennt sie Wild-Menschen. Aber sie müssen täglich um ihr Leben fürchten, denn die Abcs haben Spaß daran, sie zu jagen, und tun dies als Hobby in ihrer Freizeit. Einige der Jäger sind auf das Fleisch der frei lebenden Menschen aus, andere stopfen die Menschen aus und stellen sie sich als Trophäen in ihre Häuser oder hängen sich ihre präparierten Köpfe an die Wände. Vorzugsweise geschieht dies in den Restaurants, in denen es auch das Fleisch dieser Menschen zu essen gibt. Manchmal werden Treibjagden veranstaltet, auf denen dann bis zu 1000 Menschen auf einmal ermordet werden. Die Jäger legen sie dann in einer Reihe hin und machen stolz Fotos von den Leichen.

 

Diese Utopie, die sich anhört wie die Idee für ein Horrorfilm, ist gar nicht so weit hergeholt. Es ist tägliche Realität für Millionen von Tieren. Genau so und nicht anders gehen wir mit den Lebewesen, mit denen wir unseren Planeten teilen, um.

Und es ist keineswegs so, dass man Menschen und Tiere nicht in dieser Form vergleichen könnte. Es ist eine Tatsache, die nicht mehr angezweifelt wird, dass Schweine und Kühe ebenso ein Bewusstsein besitzen wie wir Menschen und durchaus in der Lage sind zu verstehen, was wir ihnen antun. Sie begreifen, dass wir sie quälen. Wenn sie ins Schlachthaus getrieben werden, wissen sie, was das bedeutet, und sie haben Angst. Todesangst.

Und warum diese ganze Quälerei? Damit wir Menschen billiges Fleisch essen und billige Lederschuhe kaufen können, damit wir billige Milch, billige Eier und billigen Käse bekommen. Wir unterscheiden uns in keinster Weise von den Abcs. Wir tun exakt dasselbe wie sie. Und das, was wir tun, wird von uns nur deshalb nicht als ein Verbrechen empfunden, weil wir selbst nicht die Opfer sind. Die Opfer sind die anderen. Wir selbst sind nicht betroffen, also ist es nicht so schlimm.

Es ist doch immer wieder erstaunlich, zu welch grausamen Taten Menschen in der Lage sind, wenn ihr Tun gesellschaftlich akzeptiert und durch irgendeine Ideologie begründet ist. Da metzeln Missionare tausende von Menschen nieder, weil diese nicht bereit sind, sich ihrem Glauben anzuschließen. Da infizieren Pioniere ganze Völker mit tödlichen Krankheiten, weil sie meinen, sie hätten Anspruch auf das Land, auf dem diese seit Urzeiten gelebt hatten. Da vergasen Menschen Millionen von Menschen in Konzentrationslagern, weil Propagandafilme und Hetzreden sie davon überzeugt haben, dass deren Leben nichts wert sei. Da schlachten Menschen Milliarden von Tieren auf grausame Weise ab, weil sie ihr Fleisch essen oder zu Hundefutter verarbeiten oder auch einfach vergammeln lassen und wegwerfen wollen.

Alle diese Taten wurden von ganz normalen Leuten begangen. Leuten wie du und ich. Leuten, die in dem Moment geglaubt haben, sie täten das Richtige.

Alle diese Taten sind grausam und falsch, und es gibt keine einzige Begründung, die sie auch nur ansatzweise rechtfertigen könnte.

Wir müssen endlich aufhören, grundlos zu töten.

(Inga Jung, August 2015)